Commerzbank verschenkt Kunst:Ein Bild von einer Bank

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Das hat es in dieser Form wohl noch nie gegeben: Die Commerzbank präsentiert sich als Gönnerin und verschenkt Kunstwerke an Museen. Doch was steckt hinter der Großzügigkeit?

Werner Bloch

Wann bekommt man im Leben schon mal etwas geschenkt? Ausgerechnet eine große Bank, die Commerzbank, verschenkt jetzt Kunst - obwohl sie doch eher an Kapitalvermehrung interessiert sein müsste.

Kunst für die Museen: Dem Städel in Frankfurt wird die Commerzbank ein Werk von Andy Warhol schenken. Im Bild: Warhol`s Marilyn Monroe. (Foto: REUTERS)

Das teilverstaatlichte Geldhaus gibt bedeutende Kunstwerke ab, zum Beispiel diesen Andy Warhol: ein Goethe in Violett und Sandfarben. Den hätten viele Museen sicher gerne an ihrer Wand; auch der Commerzbank-Chef, Martin Blessing, würde ihn sich gerne über seinen Schreibtisch hängen: "Den Goethe von Warhol aus unserer Sammlung finde ich toll. Aber der passt natürlich wunderbar ins Städel in Frankfurt, und da wird er auch hingehen."

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang. Gerade jetzt, in Zeiten knapper Kassen, wo die Museen ohnehin kein Geld für Ankäufe haben, bekommen sie Kunst als Gratis-Dauerleihgabe, auf 25 Jahre und mehr. Aber warum eigentlich? Es sei nicht Aufgabe einer Bank, Kunst zu sammeln, meint Blessing, das könnten die Museen besser. Und sie erreichten mehr Publikum.

Eine recht neue Erkenntnis, denn bisher haben die Banken ihre Kunstsammlungen stets gehegt und gepflegt - und weitgehend für sich behalten. Die Dresdner Bank hatte seit den siebziger Jahren eine umfassende internationale Sammlung aufgebaut - etwa 2000 Kunstwerke, rund hundert davon, wie die Versicherungssumme ausweist, sind besonders wertvoll. Genau die wurden nun an fünf große Museen verteilt: an die Nationalgalerie in Berlin, das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, das Städel-Museum sowie an die Dresdner Städtischen Galerien und die Dresdner Staatlichen Kunstsammlungen.

Kunst in guten Händen

Die Kuratorin Astrid Kießling-Taskin, die die Sammlung der Dresdner Bank mit aufgebaut hat, gibt zu, es sei am Anfang ein wenig schwer gewesen, dass das Thema Kunst "in der Commerzbank anders weitergeht". Aber sie sagt auch: "Ich bin zum Teil erleichtert, dass gerade die hochkarätigen Werke, die Millionenwerke, jetzt wirklich in guten Händen sind. Wir haben überhaupt nicht die Ressourcen und auch nicht die Möglichkeiten, die Werke zu konservieren und zu betreuen, dass sie auch noch in der nächsten und übernächsten Generation zu sehen sind."

Bisher ging es den Geldhäusern vor allem um das Prestige des Unternehmens, also um eine hochkarätige Ausstattung. "Kunst am Arbeitsplatz" nannte sich das. Die Werke prangten in Konferenzzimmern und dekorierten Flure und Hallen, manchmal veranstaltete die Kuratorin Kießling-Taskin auch Führungen und zeigte die künstlerisch gestalteten Werke der Bank.

Nun ja, unbedingt philanthropisch geht es nicht immer zu, wenn sich Banken mit Kunst beschäftigen - und das kann man auch nicht erwarten. Eher fällt schon auf, dass nicht etwa die Sammlung der Commerzbank de facto weggegeben wird, sondern vor allem die Kunstwerke der Dresdner Bank, die die Commerzbank übernommen hatte.

Es scheint, als entledigten sich die Sieger im Übernahmepoker der Kunstschätze ihrer Verlierer. Das international bedeutendste Objekt der Dresdner Bank, eine Statue Giacomettis mit dem Namen L'Homme qui marche, hat die Commerzbank Anfang des Jahres versteigern lassen - für 74 Millionen Euro. Das ist der höchste Preis, der im Rahmen einer Kunstauktion je erzielt wurde.

Diese Summe wird nun verteilt; wobei der allergrößte Teil als Gewinn bei der Bank verbleibt. Außerdem bekommt jedes der fünf erwählten Museen eine Million in bar - nicht für Ankäufe, sondern für Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten. Alles Maßnahmen, die wichtig sind, mit denen man in der Öffentlichkeit aber nicht glänzen kann.

Udo Kittelmann, der Direktor der Berliner Nationalgalerie, zeigt sich jedenfalls beglückt: "Natürlich freue ich mich. Seit heute ist die Nationalgalerie Millionär, sie verfügt über eine Million und das ganz Wunderbare ist, dass die Idee sehr überzeugend ist, diese Mittel in pädagogische und restauratorische Maßnahmen zu investieren." Für den Museumsdirektor muss es wie im Schlaraffenland gewesen sein: Er durfte sich Kunst per Katalog gratis bestellen.

Kittelmann und seine vier Museumskollegen stimmten sich hinsichtlich der Wahl der Objekte ab. Frankfurt bekam seinen Goethe von Warhol, die Nationalgalerie hatte vor allem Werke mit Berlin-Bezug auf ihrem Wunschzettel. Frank Ackermanns Installation Condominium etwa, ein Werk mit Tuchspendern, von dem sich jeder ein Tuch mit Berliner Motiven nach Hause nehmen kann; oder ein Foto vom Palast der Republik, das viele Fragen zum Umgang mit der ehemaligen DDR aufwirft, aufgenommen von der Französin Sophie Calle.

Commerzbank kein Vorbild

Dass eine private Sammlung ihre Werke so an mehrere Institutionen verteilt, hat es wohl noch nie gegeben. Die Chefs anderer Kunstsammlungen in Deutschland haben aber nicht vor, dem Beispiel der Commerzbank zu folgen.

Die Deutsche Bank, die etwa 56000 Papierwerke besitzt, hat dem Frankfurter Städel zwar für seinen Neubau 600 Arbeiten überlassen - doch das Geldhaus will seine Sammlung noch weiter ausbauen. Ähnlich sieht man das bei der Kunstsammlung des Versicherungskonzerns Allianz in München. Dort heißt es: "Wir denken gar nicht daran, etwas aus unseren Sammlungen an Museen abzugeben - höchstens obsoletes Zeug, das keiner mehr will, wie Aquarelle der fünfziger Jahre."

Die Commerzbank hat mit ihrer Schenkungspolitik eine Marktlücke entdeckt. Sie spart Kosten für sachgemäße Lagerung und Restaurierung. Im Gegenzug bekommt sie positive Werbung. Schließlich werden die Museumsbesucher freundlich darauf hingewiesen werden, von wem die ausgestellten Stücke stammen.

Und wer weiß, vielleicht spielt ja auch die Staatsbeteiligung von 25 Prozent an der Commerzbank eine Rolle. Die öffentlichen Aufseher möchten wahrscheinlich nicht noch für Zusatzkosten durch die Restaurierung von Gemälden aufkommen. Kunstfreudige Sentimentalitäten oder das Prestige der Bank, mit ästhetischen Hinguckern zu glänzen, haben sie wohl nicht im Sinn.

© SZ vom 18.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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