Beratungsprotokolle:Das müssen Bankberater künftig leisten

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: stefan dimitrov)
  • Das Bundesfinanzministerium will die Richtlinien für Beratungsprotokolle verbessern.
  • Die Protokolle wurden 2010 eingeführt, um Privatkunden vor falscher Beratung zu schützen - das funktioniert bislang nur bedingt.

Überblick von Benedikt Müller und Marie Tuil

Beschwert haben sich alle. Zu bürokratisch, hieß es bei den Banken. Zu kompliziert und zu leicht manipulierbar, sagten die Verbraucherschützer. Die 2010 eingeführten Pflichtprotokolle bei Beratungen zu Aktien, Fonds und Wertpapieren haben keinen guten Ruf. Nun will das Bundesfinanzministerium nachbessern.

Was will die Regierung genau ändern?

Von 2017 an sollen die Banken nicht mehr bei jeder Beratung ein Protokoll führen müssen. Nur wenn tatsächlich ein Kauf stattfindet, soll ein Formular Pflicht sein. Darin soll stehen, zu welchem Zweck der Kunde sein Geld anlegen will und zu welchem Risiko er bereit ist. Der Bankmitarbeiter muss dann erklären, warum er dafür genau dieses oder jenes Finanzprodukt empfohlen hat.

Das neue Formular soll kürzer und prägnanter sein. Außerdem sollen die Banken in Zukunft alle Telefongespräche mit ihren Kunden aufzeichnen, damit der Anleger auch bei dieser Form der Beratung mögliche Fehler nachweisen kann. All diese Änderungen wird das Bundeskabinett wohl im November beschließen.

Was ist bisher schiefgelaufen?

Die Beratungsprotokolle waren eine Reaktion auf die Lehman-Pleite. Sie sollten Privatkunden vor falscher Beratung schützen. Tatsächlich spielten die Protokolle aber den Banken in die Hände: Bei Streitfällen vor Gericht konnten diese dank der Protokolle argumentieren, sie hätten ihre Kunden sehr wohl auf bestimmte Risiken hingewiesen.

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Die Beratungsprotokolle an sich seien auch viel zu ungenau, so Dorothea Mohn, die beim Bundesverband der Verbraucherzentralen für Finanzen zuständig ist. "Bei unseren Untersuchungen waren die Begründungen für Anlageempfehlungen überwiegend ohne Aussagekraft." Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, fasst zusammen: "An der mangelhaften Qualität der Anlageberatung hat sich seit der Einführung der verpflichtenden Protokolle nichts geändert."

Wie sieht schlechte Beratung aus?

Das Grundproblem ist: Die Banken erhalten Provisionen für den Vertrieb. Und so wird nicht das verkauft, was für den Kunden gut ist, sondern das, was dem Profitinteresse der Bank entspricht. Viele Bankberater empfehlen deshalb Produkte, bei denen sehr hohe Kosten anfallen, sagt Verbraucherschützer Nauhauser.

So hat etwa die Sparkasse einer 89-jährigen Heidelbergerin einen Mischfonds mit fünfjähriger Laufzeit empfohlen, obwohl diese betont hatte, sie wolle jederzeit an ihr Geld kommen. Erst nachdem die Rentnerin die Medien einschaltete, machte die Sparkasse den Vertrag rückgängig. Sechs Prozent Verlust hatte der Fonds da bereits erzielt.

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Beratungsprotokolle in Banken sollen Kunden absichern - doch sie verwirren sie oft nur. Die Finanzaufsicht Bafin hat im vergangenen Jahr in 29 Fällen gegen Geldhäuser wegen mangelhafter Aufzeichnungen ermittelt. Sie verhängte teils fünfstellige Strafen. Für den Bankenverband sind das lediglich "Kinderkrankheiten".

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"Die geplante Neuregelung ist keine Lösung für die Probleme der Verbraucher", so Nauhauser. "Keine noch so gut gemeinte Regulierung kann aus einem Verkaufsgespräch in einer Bank eine echte Beratung machen." Trotzdem hofft der Finanzexperte, dass die konkreten Angaben im neuen Formular wenigstens eine kleine Verbesserung bringen.

Auch Marc Tüngler, dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug: "Wir fordern stattdessen eine Umkehr der Beweislast." In Streitfällen müsste dann nicht mehr wie bisher der Kunde beweisen, dass er falsch beraten wurde. Sondern die Bank, dass ihre Empfehlungen richtig waren.

Wo bekommen Anleger objektive Hilfe?

"Grundsätzlich würde ich einen Honorarberater empfehlen", sagt Verbraucherschützerin Dorothea Mohn. Allerdings müssten sich Anleger auch in diesem Fall vorab informieren, wie das Gespräch abläuft, welche Kosten auf sie zukommen und ob Provisionen im Spiel sind. Denn die sollten Honorarberater nicht bekommen, sie werden für ihre unabhängige Meinung bezahlt. Bis zu 300 Euro können für die Unterstützung in Anlagefragen fällig werden. Und das will sich aber nicht jeder leisten.

Wer deshalb lieber bei seinem Bankberater bleibt, sollte sich unbedingt auf das Gespräch vorbereiten. Dabei geht es nicht darum, welche konkrete Anlage die beste ist. Viel wichtiger sind die individuellen Ziele. Wofür soll das Geld dienen? Und wann muss es wieder flüssig sein? Denn mit einem konkret formulierten Anlageziel sind schlechte Berater leichter zu erkennen.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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