Banken und Moral:Hippokrates als Vorbild

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"Es ist meine Pflicht, meine Geschäfte auf ethische Weise zu führen": Eine britische Denkfabrik will die Banker des Landes Moral lehren. Sie sollen einen Eid schwören - wie es seit Jahrhunderten bei Ärzten üblich ist.

Von Jan Willmroth, München

Zugegeben, die Ärzte waren schneller. Fast 2500 Jahre ist es her, dass jemand zum ersten Mal eine ärztliche Berufsethik formulierte: den hippokratischen Eid, benannt nach dem griechischen Arzt Hippokrates von Kos. Darin stand, wie die Ärzte sich verhalten sollten, was sie durften und was auf keinen Fall. "In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat", solche Sätze stehen in dem Eid, geschworen auf alle Götter.

Es sind Zeilen mit einer extrem langen Haltbarkeit. Noch heute finden sich in Gesetzen und Berufsordnungen der Ärzte Grundsätze wieder, die schon damals galten, wie die Verbote von direkter Sterbehilfe und Abtreibungen.

Und noch immer taugt die antike Ärzteschaft zum Vorbild für andere Berufsstände. 2014 könnte das Jahr werden, in dem auch vielen Bankern beschieden sein wird, einen Eid abzulegen. In dieser Woche hat die sozial-liberale britische Denkfabrik ResPublica einen Report vorgelegt, dessen Titel schon eine Rückbesinnung auf antike Ideale ankündigt: "Virtuous Banking", tugendhaftes Banking, ganz frei nach Aristoteles. Der Bericht enthält eine Menge Vorschläge, wie Ethik und Moral im Bankensektor ihren Platz finden.

Zum Wohle der Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens

ResPublica meint: unter anderem mit einem Eid, den die Autoren praktischerweise schon mal vorformuliert haben. "Es ist meine Pflicht, meine Geschäfte auf ethische Weise zu führen und sicherzustellen, dass meine Taten das Wohlergehen der Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb meines Unternehmens positiv beeinflussen", steht zum Beispiel darin. Der Report ist eine Reaktion auf die Skandale, die den Finanzplatz London in jüngster Zeit erschüttert haben. Das Image der Branche könnte besser sein - und soll auf jeden Fall aufpoliert werden.

ResPublica-Direktor Philip Blond findet, dass Banker an einem eklatanten Moral-Mangel leiden. "Die britischen Banker lassen einen Sinn für Ethos vermissen und die Institute, für die sie arbeiten, haben keinen klar definierten gesellschaftlichen Zweck", sagt Blond. Die regulatorischen Maßnahmen der vergangenen Jahre, wie die jüngste Reform der Boni-Regelungen, hätten dieses Problem nicht an der Wurzel gepackt.

Der Chef der britischen Bankenaufsicht, Paul Chisnall, findet gut, was ResPublica vorschlägt. Ein Eid könne "gut ein Teil der Antwort sein" auf die Frage, wie der Bankensektor Vertrauen zurückgewinnen kann. Fast 440 000 Menschen arbeiten bei Finanzinstituten auf der Insel, nur etwa 1,4 Prozent der Erwerbsbevölkerung. Zum Bruttoinlandsprodukt tragen sie aber knapp ein Zehntel bei.

Ein Vorbild haben die Briten seit diesem Jahr: Von der zweiten Jahreshälfte an sollen alle Banker in den Niederlanden einen Schwur ablegen. Ob solche Maßnahmen mehr sein werden als Marketing-Gags? Für einige Köpfe in der Bankenbranche wäre der von ResPublica vorgeschlagene Eid jedenfalls eine gute Selbstvergewisserung: "Ich werde mich stets daran erinnern, dass ich ein Mitglied der Gesellschaft bleibe."

© SZ vom 02.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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