Auswege aus der Schuldenkrise:Wer die Banken rettet, rettet Europa

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Wie bekommt Europa die Krise schnell in den Griff? Entscheidend ist weder der rasche Abbau der Staatsschulden noch eine stabilitätsbewusste Finanzpolitik - beides steht erst längerfristig an. Aktuell muss sich die Politik auf eines konzentrieren: die Rettung der Banken.

Marc Beise

Europas Regierungen bewegen sich in diesen Tagen auf gefährlichem Terrain. Einerseits müssen sie zur Lösung der Schuldenkrise lange nachwirkende Entscheidungen treffen - und das auch noch einvernehmlich, obwohl doch Staatenvertreter zunächst die Interessen ihres Landes im Blick haben. Das Thema ist so kompliziert und umstritten, dass ein Treffen sich an das nächste reiht und sogar zwei Gipfel binnen weniger Tage notwendig sind. Kritiker dieses vielstufigen Verfahrens machen es sich leicht; auch sie können Kompromisse nicht verordnen.

Die Frankfurter Skyline. (Foto: dpa)

Andererseits ist die Ungewissheit vor endgültigen Entscheidungen hochgefährlich. Spekulationen blühen, und an den Märkten braut sich eine brisante Stimmung zusammen. Das eine oder andere Interview, Eitelkeiten und populistische Empörung heizen die Lage an. In dieser Situation sind nur wenige Dinge gewiss.

Erstens führt kein Weg daran vorbei, dass Europa dem völlig überschuldeten Griechenland einen Teil seiner Schulden erlässt. Dies kann man als mitfühlenden Akt unter Freunden erklären, es ist aber vor allem eine rechnerische Notwendigkeit. Athen kann seine Schulden nicht zurückzahlen, ein guter Teil des geliehenen Geldes ist deshalb ohnehin verloren, und wenn man Griechenland nicht die Chance eines Neuanfangs gibt, werden die Probleme immer wieder zurückkehren. Dieser Schuldenschnitt muss angesichts der Höhe der Verschuldung, der Perspektiven der griechischen Wirtschaft und den Erfahrungen mit anderen Umschuldungen bei mindestens 50 Prozent liegen, mehr wäre besser.

Zweitens müssen bei einem Schuldenschnitt die Banken und deren Eigentümer (Aktionäre) notwendigerweise auf Geld verzichten, sofort oder (bei Streckung der Schulden) später. Es kann nicht sein, dass die Kosten der Krise allein an der Allgemeinheit hängenbleiben. Die Verluste müssen von denen getragen werden, die Schuldtitel gekauft haben. Sie haben guten Zins verdient, und müssen nun draufzahlen.

Ab hier aber beginnt die Ungewissheit. Was passiert, erstens, in Griechenland, wenn der Schuldenschnitt kommt? 50 Prozent oder mehr (oder weniger) - welche Größenordnung ist verkraftbar? Gerät die Bevölkerung in Panik? Wie groß ist die Ansteckungsgefahr für das internationale Finanzsystem?

Wie ergeht es, zweitens, den betroffenen Banken und anderen Finanzinstitutionen in Griechenland und im Ausland, vor allem in Frankreich, aber auch in Deutschland? Der Schuldenschnitt wird viele Geldgeber überfordern, die Reserve des Eigenkapitals ist schnell aufgebraucht. Die Banken halten gemeinhin nur so viel Geld vor, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist verständlich: Je mehr Eigenkapital, desto weniger Geschäft (was übrigens volkswirtschaftlich betrachtet auch heißt: desto weniger Firmenkredite, also Investitionen).

Ein neuer und zwar ernsthafter Stresstest muss her

Wenn es aber darum geht, ein Bankensterben mit gesamtwirtschaftlicher Schockwirkung zu verhindern, wenn es also ums Gemeinwohl geht, darf und muss der Staat steuernd eingreifen. Weil die bisherigen Vorgaben der Krise nicht gewachsen sind, gilt es die Banken zu zwingen, sich ausreichend zu kapitalisieren. Das vor allem und zuerst ist der Schlüssel zur aktuellen Lösung der Finanzkrise, erst längerfristig geht es um eine Rückführung der Staatsschulden und eine stabilitätsbewusste Finanzpolitik.

Allerdings sind die Banken in unterschiedlicher Verfassung. Deshalb muss dringend ein neuer, ernsthafter "Stresstest" die Konstitution der Banken untersuchen. Im Anschluss würden schwache Institute zu mehr Eigenkapital verpflichtet. Wer es nicht schafft, dies aus eigener Kraft zu besorgen, dem hilft der Staat - und beteiligt sich, klar, in der Größenordnung der Hilfe am Unternehmen.

So wird am Ende die Schuldenkrise nicht nur die Gesellschaften verändern, sondern auch die Finanzwelt.

© SZ vom 25.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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