Deutsche Bank: Josef Ackermann:Die unendliche Geschichte vom Ende

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Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wollte eine lange Nachfolgediskussion vermeiden. Jetzt hat er sie selbst befeuert - mit einem einzigen Satz.

Harald Freiberger

Eigentlich hatte es Josef Ackermann, man kennt das von ihm, ja ganz anders gemeint. Ort des Geschehens: Die Hauptversammlung der Deutschen Bank am 27. Mai, es ist gegen 14 Uhr. Ein Aktionär hat eine scheinbar nebensächliche Frage gestellt. Wie es denn mit Ackermanns Nachfolge aussehe.

Der lange Schatten des Josef Ackermann: Die Diskussion um seine Nachfolge ist eröffnet, dabei läuft sein Vertrag noch bis 2013. (Foto: dpa)

Der sagt einen in seinen Augen harmlosen Satz: "Ich bin seit Monaten in intensiven Gesprächen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig über dieses Thema." Eigentlich will er damit sagen: Ich kümmere mich, so etwas wie im letzten Jahr, als die Diskussion aus dem Ruder lief, wird uns nicht noch einmal passieren. Er schickt noch schnell hinterher, für die Märkte sei das "aktuell noch nicht akut". Offenbar ahnt er, dass er schon zu viel gesagt hat.

Kurz darauf, um 14.27, Uhr schickt die Nachrichtenagentur Reuters eine Meldung mit der Überschrift "Deutsche Bank will Ackermann-Nachfolge früh klären". Seine Helfer legen ihm diese Meldung auf der Bühne der Frankfurter Festhalle sofort vor, und er versucht, das Thema noch einmal einzufangen.

Da ist es schon passiert

Es gehe nicht um eine vorzeitige Amtsübergabe, sondern nur um den Fahrplan der Nachfolge, betont er. Doch da ist es schon zu spät. Ackermann hat mit einem leicht dahingesagten Satz das angestoßen, was er unbedingt vermeiden wollte: eine lange Diskussion um seine Nachfolge. Nun ist sie voll im Gange und lässt sich kaum mehr stoppen. Und das drei Jahre vor seinem Vertragsende im Mai 2013.

Drei Jahre Spekulationen innerhalb und außerhalb der Bank über mögliche Kandidaten und ihre Vor- und Nachteile, das wäre für die Bank ein Albtraum. Ausgerechnet jetzt, in Zeiten turbulenter Finanzmärkte. Dabei sagte Ackermann auf der Hauptversammlung doch auch: "Wenn es nach mir geht, müssen Übergangszeiten kurz sein."

Einen Vorgeschmack darauf, was der Deutschen Bank in den nächsten Monaten bevorsteht, lieferte in den letzten Tagen schon die Personalie von Michael Cohrs. Der 53-jährige Amerikaner sitzt im Vorstand des Instituts und ist in London für Global Banking zuständig, also für Unternehmensfinanzierung, Fusionen und Übernahmen. Cohrs hatte zuletzt "eine gewisse Amtsmüdigkeit" zu erkennen gegeben, berichteten amerikanische Zeitungen.

Der junge Aufsteiger

Er hat für das Investmentbanking der Deutschen Bank wichtige Aufbauarbeit geleistet, doch das ständige Pendeln zwischen London und seiner Familie in Amerika reibe ihn auf. Schon in den nächsten Wochen könnte er bei der Bank aufhören und "noch einmal etwas Neues anfangen", heißt es.

Cohrs steht im Schatten eines anderen Londoner Deutschbankers: Anshu Jain, 47, ein gebürtiger Inder mit britischem Pass. Jain sitzt ebenfalls im Vorstand und ist zuständig für Global Markets, das Geschäft mit dem Handel von Aktien, Anleihen und Devisen. Er ist der junge Aufsteiger in der Bank, auch weil sein Bereich seit Jahren (mit der Ausnahme von 2008) den höchsten Gewinn liefert.

Allein im letzten Quartal trug er 80 Prozent zum Gesamtergebnis bei. Seit Jahren gilt er als möglicher Nachfolger Ackermanns. Wenn Cohrs nun hinwirft, könnte Jain dessen Bereich mit übernehmen, dadurch noch mehr Gewicht in der Bank erhalten, was seine Chance auf die Nachfolge weiter steigern würde.

Das Handelsblatt berichtete am Mittwoch gar, Jain werde als aussichtsreichster Nachfolger für Ackermann gehandelt. Das Institut reagierte prompt - und wies die Spekulationen zurück. "Herr Dr. Ackermann hat einen Vertrag bis 2013", sagte ein Sprecher. "Schon deswegen entbehren alle Personalspekulationen im Hinblick auf seine Nachfolge jeglicher Grundlage."

Als Turbokapitalist schwer vermittelbar

Solche Für und Wider werden nun eifrig durchgespielt, wobei niemand vergisst, auf Jains Nachteile zu verweisen: Er würde den Graben zwischen der Londoner Investmentbank und dem deutschen Stammhaus noch weiter vertiefen, wäre als Turbokapitalist der deutschen Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Er spricht ja nicht einmal Deutsch.

Auf dem Podium der Hauptversammlung ist er der einzige, der Stöpsel für die Übersetzung im Ohr hat. Andererseits heißt es, dass er gerade Deutsch büffeln soll...

Auch die Plus- und Minuspunkte der anderen möglichen Kandidaten werden nun wieder erörtert: Rainer Neske, 46, der Privatkundenvorstand, der der deutschen Öffentlichkeit besser vermittelbar wäre, weil er das traditionelle Bankgeschäft verkörpert. Andererseits macht er wenig Gewinn.

Axel Wieandt, 43, der gerade bei der Hypo Real Estate hingeschmissen hat und als "Integrationsbeauftragter" zur Deutschen Bank zurückkehrt, wo er vorher schon Strategiechef war; er gilt als Vertrauter Ackermanns. Finanzchef Stefan Krause , 47, der auf öffentlichen Veranstaltungen immer neben Ackermann sitzt und für alle sichtbar dessen Ohr hat. Oder Hugo Bänziger, 54, der Risikovorstand, der den Vorteil hat, über Schweizer Gene zu verfügen.

Zeit für die Suche des Nachfolgers

"Ackermann ist in der deutschen Wirtschaft ein Superstar, man wird niemanden finden, der ihn gleich voll ersetzen kann", sagt der Veranwortliche einer internationalen Personalberatung. In der Deutschen Bank kann man sich deshalb auch vorstellen, dass es eine Doppelspitze geben wird: einen, der das internationale Geschäft abdeckt, und einen, um die deutsche Seele zu besänftigen.

Die ganz sanfte Lösung scheidet auf jeden Fall aus: Einen geräuschlosen Übergang, wie er vor kurzem dem Chemiekonzern BASF gelang, wird es bei der Deutschen Bank nicht geben. Schon der erste Versuch scheiterte. Ackermann sollte eigentlich im Mai dieses Jahres gehen.

In die Nachfolgersuche hatte er sich nicht einmischen wollen, er überließ sie Aufsichtsratschef Börsig. Der aber versuchte, sich selbst zu installieren, ohne sich dabei abzusichern. Das scheiterte vor einem Jahr unter großem Getöse, so dass Ackermann aus der Not heraus um drei Jahre verlängerte. Damit versuchte die Deutsche Bank Zeit für die Suche des Nachfolgers zu gewinnen. Nun aber ist die Unruhe wieder da.

Schon länger wird darüber spekuliert, dass Ackermann früher gehen könnte als geplant. Ein guter Zeitpunkt dafür wäre, wenn er sein hohes Ziel erreicht hat, 2011 zehn Milliarden Euro Gewinn vor Steuern zu machen, also Anfang 2012. Bis dahin gilt das, was der Top-Personalberater sagt: "Das Thema wird immer wieder hochkommen und Ackermann bis zu seinem letzten Tag im Amt verfolgen."

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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