Abgeordnetenhaus - Berlin:Keine Teilzeit mehr: Abgeordnete bekommen höhere Diäten

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Berlin (dpa/bb) - Die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses bekommen ab nächstem Jahr deutlich mehr Geld. Ihre Diäten steigen um fast 60 Prozent von 3944 auf 6250 Euro im Monat. Im Gegenzug soll das bisherige Teilzeitparlament mehr und länger arbeiten. Eine entsprechende Reform beschloss das Abgeordnetenhaus am Donnerstag. In namentlicher Abstimmung votierten die Fraktionen von SPD, Linken, CDU, FDP sowie die meisten Grünen dafür. Neben der AfD stimmten drei Grünen-Abgeordnete dagegen. Kritik kam auch vom Steuerzahlerbund.

An der Größe des Abgeordnetenhauses soll sich nichts ändern. Laut Verfassung hat es 130 Mitglieder, wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten sind es aktuell 160. Bei der Bezahlung liegen sie künftig knapp unter dem Durchschnitt aller Landtage von 6755 Euro. Das Spektrum reicht hier von 2907 Euro (Hamburg/Erhöhung auf 3357 Euro beschlossen) bis 9330 Euro (NRW). Im Bundestag beziehen Abgeordnete derzeit eine Diät von 10 083 Euro im Monat.

Mit der Reform, die die fünf Fraktionen nach der ersten Lesung vor zwei Wochen nun vergleichsweise schnell durch das Plenum brachten, steigen auch die Ansprüche der Abgeordneten auf Altersversorgung. Bisher haben sie nach genau acht Jahren und 182 Tagen im Parlament erstmals einen Anspruch auf 1380 Euro monatliche Pension, der dann auf maximal 2564 Euro nach rund 20 Parlamentsjahren steigt. In Zukunft beträgt er zwischen 2188 und 4062 Euro.

Künftig brauchen die Abgeordneten mehr Sitzfleisch. So gehen die Tagungen des Parlaments in Zukunft drei Stunden länger bis 22.00 Uhr. Ab 2021 sind zwei zusätzliche Sitzungstermine pro Jahr vorgesehen, so dass sich deren Gesamtzahl auf 18 erhöht. Die Sitzungen der Ausschüsse, in denen die eigentliche parlamentarische Arbeit stattfindet, dauern statt zwei künftig drei Stunden.

Die Reform umfasst noch weitere Punkte. So wird klargestellt, dass die politische Arbeit der berufliche Schwerpunkt der Abgeordneten ist, Nebentätigkeiten sollen aber möglich bleiben. Die neuen Transparenzregeln, etwa zu Neben- und früheren Tätigkeiten der Abgeordneten, seien die schärfsten aller Landesparlamente, hieß es.

Die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD, Linken, Grünen, CDU und FDP betonten in der Debatte, man wolle sich verabschieden von der "Lebenslüge" Teilzeitparlament. Schon jetzt sei ihr Mandat für viele Abgeordnete ein Full-Time-Job, das Arbeitsaufkommen sei gestiegen. Ziel sei, auch in Zukunft eine sehr enge parlamentarische Kontrolle des Senats zu gewährleisten. Die AfD sprach von einer "saftigen Diätenerhöhung, die sich als Parlamentsreform tarnt".

Auch der Bund der Steuerzahler ließ kein gutes Haar an dem Beschluss. "Die massive Erhöhung der Abgeordnetenentschädigungen bei der in Berlin sehr hohen Anzahl an Mandaten wird die Kosten jetzt komplett aus dem Ruder laufen lassen", sagte Verbandschef Alexander Kraus der Deutschen Presse-Agentur.

"Das Parlament muss sich entscheiden, ob es ein Teilzeitparlament mit vielen Abgeordneten oder ein Vollzeitparlament mit voller Vergütung sein will", unterstrich er. "Dann müssen aber auch weniger Mandate reichen. Insgesamt sechs Landtage kommen derzeit schließlich auch ohne offensichtliches Demokratiedefizit mit weniger als 90 Mandaten zurecht." 90 Mandate hält Kraus auch für Berlin für angemessen.

Kraus rechnete vor, dass die Ausgaben für das Abgeordnetenhaus binnen sechs Jahren um fast zwei Drittel auf 64,3 Millionen Euro gestiegen seien, nicht zuletzt durch stark erhöhte Fraktionszuschüsse. "Schon damit lag Berlin fast gleichauf mit dem mehr als doppelt so bevölkerungsstarken Niedersachsen", so Kraus. Nun werde erneut draufgesattelt.

Nichts ändern soll sich an den Kostenpauschalen, die Berliner Abgeordnete zusätzlich zu ihren normal zu versteuernden Diäten bekommen. Dabei handelt es sich um etwa 2600 Euro im Monat für Schreibarbeiten, Porto, Telefon, Fahrkosten und den Betrieb eines Wahlkreisbüros. Beschäftigt ein Abgeordneter Mitarbeiter, erhält er für deren Vergütung außerdem bis zu rund 4300 Euro zuzüglich der gesetzlichen Nebenkosten des Arbeitgebers.

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