Pflegeheim:Nach Polizeieinsatz und Todesfall: Neue Heimleitung

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Eine Pflegerin hält die Hand einer Bewohnerin. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Weil in der Nacht Personal fehlt, ruft eine Pflegekraft den Notruf. Dann gibt es einen anonymen Hinweis zu einem Todesfall. Für das Unternehmen haben die Vorfälle nun Folgen.

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Berlin (dpa/bb) - Nach dem Einsatz von Polizei und Feuerwehr wegen Personalnotstands in einem Berliner Pflegeheim und einem anonymen Hinweis auf einen Todesfall hat die verantwortliche Unternehmensgruppe Konsequenzen gezogen: Der Konzern habe „mit sofortiger Wirkung“ eine neue Heimleitung und eine neue Pflegedienstleitung eingesetzt, wie ein Sprecher der Domicil-Unternehmensgruppe am Montag mitteilte.

Vor eine Woche waren Polizei und Feuerwehr ausgerückt, weil in einem Alten- und Pflegeheim in Berlin-Lichtenberg das nötige Pflegepersonal für die Nacht fehlte. Als eine Pflegerin in dem Heim am Montagabend ihre Schicht beenden wollte, stellte sie fest, dass die folgende Nachtschicht personell nicht ausreichend besetzt war.

Nach einem anonymen Hinweis wird an dem Altenpflegeheim in Lichtenberg an dem Tag des Vorfalls auch ein Todesfall untersucht. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung anhängig, wie die Behörde vergangene Woche mitteilte. „Ob sich aber überhaupt ein zur Aufnahme von Ermittlungen berechtigender Anfangsverdacht gegen eine Person begründen lassen wird, lässt sich derzeit noch nicht seriös beurteilen“, sagte eine Staatsanwältin. Das Verfahren wird demnach gegen Unbekannt geführt.

Konzern hat unabhängige Untersuchung eingeleitet

„Wir haben selbst eine umfassende unabhängige Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei eingeleitet und werden vollumfänglich mit den Behörden kooperieren“, sagte der Domicil-Sprecher. Den Konzern habe „eine Reihe schwerer Vorwürfe“ erreicht, die bislang nicht bestätigt seien. „Wir nehmen jeden einzelnen Hinweis sehr ernst und gehen ihm nach, mit dem Ziel, alle Vorwürfe aufzuklären.“ Medienberichten über angebliche Missstände im Heim hatte der Sprecher zuvor als „unsubstantiierte Vorhaltungen“ bezeichnet und sie als „wahrheitswidrig“ zurückgewiesen.

In der betroffenen Nacht fehlte nach Angaben der Polizei eine examinierte Pflegekraft mit einer Qualifikation für die Verabreichung bestimmter Medikamente. In dem Plan für die Nachtschicht standen demnach wohl nur zwei Pflegeassistenten. In der Nacht sollten 170 alte Menschen mit allen Pflegestufen versorgt werden. Die Lücke im Pflegeplan begründete Domicil mit einem EDV-Problem. Die Buchung einer Zeitarbeitskraft mit entsprechender Qualifikation sei nicht wie üblich per Mail verschickt worden. Zu dem Todesfall äußerte sich das Unternehmen bislang nicht.

Verdi fordert bessere Arbeitsbedingungen für Personal

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den Vorfall am Montag und forderte grundlegende Verbesserungen für Pflegepersonal. „Der Berliner Senat, die Pflegekassen und die Leistungserbringer müssen jetzt gemeinsam Vereinbarungen treffen, wie Personalstandards auf Landesebene festgelegt und wirksam kontrolliert werden“, sagte die stellvertretende Landesfachbereichsleiterin für Pflege in Berlin und Brandenburg, Gisela Neunhöffer. In der Altenpflege solle vertraglich festgelegt werden, wie viel Personal für die Patienten pro Schicht anwesend sein müssen, forderte sie.

Neunhöffer nannte den Vorfall „unerträglich“. Allgemein seien Dienstpläne oft so gestaltet, dass schon eine einzige Krankmeldung eine Krisensituation auslösen könne, es fehlten Springer- und Ausfallkonzepte. „Wenn jetzt nicht politisch gehandelt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Mal Notarzt und Feuerwehr ausrücken müssen, weil in einem Pflegeheim das Personal fehlt“, sagte Neunhöffer laut Mitteilung.

© dpa-infocom, dpa:240422-99-767075/4

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