Industrie:Früherer Ministerpräsident Albig wird Tabaklobbyist

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Schleswig-Holsteins früherer Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) heuert als Lobbyist beim Tabakkonzern Philip Morris an. (Foto: Hannes P. Albert/dpa)

Dass Politiker nach ihrer aktiven Zeit in die Wirtschaft gehen und Lobbyisten werden, sorgt teils für Stirnrunzeln. Ein bundesweit bekannter Sozialdemokrat tat dies schon 2018 und hat nun einen neuen Job.

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Gräfelfing (dpa) - Schleswig-Holsteins früherer Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) ist als Lobbyist zum Tabakkonzern Philip Morris gewechselt. Der 60-Jährige leitet künftig den Geschäftsbereich External Affairs der Deutschland-Tochter des global tätigen Zigarettenherstellers, wie die Philip Morris GmbH heute in Gräfelfing mitteilte.

„Ich will die Firma in ihrer Transformation vom Tabakhersteller zu einem Anbieter von schadstoffreduzierten Produkten unterstützen“, sagte der Ex-Politiker der dpa. Dabei bezog er sich auf den Tabakerhitzer Iqos, den Philip Morris stark bewirbt, dessen Marktanteil aber noch gering ist.

Er selbst ist Nichtraucher

Würden erwachsene Raucherinnen und Raucher auf solche Produkte umsteigen, hätte dies das Potenzial, die Gesundheitsgefahren zu senken, sagt Albig. „Am besten ist natürlich immer der Rauchstopp.“

Der Sozialdemokrat ist nach eigener Aussage Nichtraucher. „Ich habe noch nie in meinem Leben eine Zigarette geraucht.“ Seine Mutter und seine Großeltern seien hingegen starke Raucher gewesen, alle drei hätten auch deswegen schwere gesundheitliche Probleme bekommen. „Meine Mutter wollte immer wieder aufhören zu rauchen, aber sie hat immer wieder damit angefangen“, sagt Albig. Hätte es schon damals schadstoffreduzierte Produkte gegeben, „dann wäre das eine Option gewesen für sie und ihr wäre vielleicht einiges erspart geblieben“.

Forderung nach Informationskampagnen

Albig fordert von der Bundespolitik einen anderen Ansatz im Umgang mit dem Rauchen und mehr Informationskampagnen. In Italien und Japan hätten schadstoffreduzierte Produkte einen deutlich höheren Marktanteil als in Deutschland. Zudem verweist er auf Schweden, wo nur wenige Menschen rauchen. Dort ist das Tabakprodukt Snus weit verbreitet. Das wird nicht geraucht, sondern unter die Oberlippe geschoben. Der Snus-Hersteller Swedish Match gehört zu Philip Morris, in Deutschland darf das Produkt allerdings nicht verkauft werden.

Tabakhitzer sind hierzulande hingegen zu haben, auch der Philip Morris-Konkurrenten British American Tobacco mischt mit der Marke glo mit. Die Produkte sind umstritten. Einerseits gibt es Stimmen, die sie als kleineres Übel werten. Im Gegensatz zu Zigaretten wird der Tabak nicht verbrannt, sondern nur heiß gemacht. Andererseits warnt zum Beispiel das Deutsche Krebsforschungszentrum vor einer Verharmlosung - auch Tabakerhitzer seien schlecht für die Gesundheit. Mangels Langfriststudien sind die genauen Folgen noch unklar.

„Das Ziel des Staates muss es doch primär sein, die rauchbedingten Folgen für die Menschen und die daraus resultierenden Kosten für das Gesundheitssystem zu verringern“, sagt Albig mit Blick auf die Menschen, die Jahr für Jahr an den Folgen des Tabakkonsums erkranken und behandelt werden müssen. „Mit einer innovationsoffenen Regulierung wäre eine deutliche Kostensenkung möglich.“

Der Tabakriese Philip Morris International (PMI) will auf lange Sicht raus aus dem klassischen Zigarettengeschäft und setzt daher weltweit auf Iqos, E-Zigaretten und Nikotinbeutel. Der Löwenanteil des Umsatzes kommt aber noch aus dem Verkauf von Marken wie Marlboro und L&M.

Wechsel könnte für Aufsehen sorgen

Die Personalie dürfte kontrovers diskutiert werden. Auf die Frage, ob er seiner Partei mit dem Wechsel in die umstrittene Tabakbranche nicht einen Bärendienst erweise, sagt Albig, dass Philip Morris „ein bedeutendes Unternehmen“ mit einem wichtigen Ziel sei, und zwar deutlich mehr schadstoffreduzierte Produkte zu verkaufen als bisher. „Unabhängig von mir ist es für meine Partei immer gut, wenn ihre Mitglieder auch in der Wirtschaft Akzeptanz finden und dort auch führende Aufgaben übernehmen.“

Der gebürtige Bremer war von 2009 bis 2012 Oberbürgermeister von Kiel und danach bis 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Nach einer verlorenen Landtagswahl zog der SPD-ler sich aus der aktiven Politik zurück und ging für vier Jahre nach Brüssel, wo er Leiter der Repräsentanz der Deutschen Post DHL wurde. 2021 wechselte er für gut ein Jahr zum Bundesverband Deutscher Postdienstleister.

Wechsel von Politikern zu Firmen oder Verbänden sorgen immer wieder für Aufsehen. Matthias Wissmann (CDU) war in den 90ern Bundesverkehrsminister, von 2007 bis 2018 war er als Präsident des Verbands der Automobilindustrie oberster Autolobbyist in Deutschland. Der Ex-Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) wurde 2013 Daimlers Chef-Lobbyist. Und der Ex-Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Berninger setzt sich für den Agrarchemiekonzern Bayer ein.

© dpa-infocom, dpa:230901-99-33309/6

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