Überwachungsprogramm "Hemisphere":US-Drogenpolizei speichert mehr Telefondaten als die NSA

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Weitreichende Überwachung wegen Drogendelikten: Archivbild einer DEA-Schulung (Foto: AFP)

Täglich kommen Milliarden Informationen hinzu: Der Telekommunikationskonzern AT&T sammelt für die US-Drogenpolizei DEA massenhaft Daten über Anrufe. Das Archiv ist so weitreichend, dass es sogar die Kompetenzen der NSA übertrifft.

Die Drogenpolizei der Vereinigten Staaten, die DEA, hat Zugriff auf jeden Telefonanruf, der über das Netzwerk des Telekommunikationsunternehmens AT&T läuft. Pro Tag werden laut Angaben der New York Times auf diese Weise bis zu vier Milliarden Anrufsdaten gespeichert. Manche Anrufe in der Datenbank sollen bereits 26 Jahre zurückliegen.

Der Codename des Projektes lautet "Hemisphere" und läuft seit 2007. Die New York Times titelte, die Datensammelei der Drogenpolizei stelle die Telefonüberwachung des US-Geheimdiensts NSA in den Schatten. Laut der Zeitung ist die jetzt bekannt gewordene Speicherpraxis unangefochten in Bezug auf Größenordnung und Dauer.

In das Hemisphere-Projekt sind die Drogenbekämpfung auf Bundesebene als auch im lokalen Bereich sowie AT&T involviert. Die Firma wird von der DEA ( Drug Enforcement Administration) bezahlt, damit sie Mitarbeiter zu den Beamten schickt, um ihnen bei der Bearbeitung der Fälle zu helfen.

Wie das Programm funktioniert, wird in einer Powerpoint-Präsentation erklärt, die insgesamt 27 Seiten lang ist. Gespeichert werden alle Informationen, die bei einem Anruf anfallen: Damit gemeint sind die Dauer des Anrufs, wer wen angerufen hat, um wie viel Uhr der Anruf stattgefunden hat, unter welcher Nummer die Sim-Karte registriert ist. Das alles wird auch von der NSA gesammelt, doch das Hemisphere-Projekt speichert noch eine weitere entscheidende Information, und zwar den Ort, von dem aus angerufen wird.

Die Regierung hat bestätigt, dass AT&T-Mitarbeiter in drei Bundesstaaten der DEA helfen*. Die Zahl der Anfragen in 2012 beträgt insgesamt 2770. AT&T selbst hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert.

Eingesetzt werden die Informationen anders als bei der NSA nicht gegen mutmaßliche Terroristen, sondern im Kampf gegen Drogenkartelle. Drogendealer benutzen oftmals sogenannte Burner-Telefone, also Telefone, die meist billig zu kaufen sind, nur für eine kurze Zeit benutzt und danach weggeworfen werden, um keine Spuren zu hinterlassen. Mit Hemisphere sei es möglich, eben diese Verbindung zu überwachen - außerdem sei es auch möglich, herauszufinden, welche Telefonnummern eine überwachte Person noch benutzt. Dabei werden alle Anrufe gespeichert, die über das Netzwerk von AT&T laufen, nicht nur die von AT&T-Kunden.

Am Ende der Powerpoint-Präsentation werden "Erfolgsgeschichten" verkündet. In einem Fall habe der Hemisphere-Einsatz dazu geführt, 136 Kilogramm Kokain und 2,2 Millionen US-Dollar sicherzustellen. "Plus, wir haben die Hells Angels wirklich aufgeregt", heißt es.

Um Hemisphere nutzen zu können, ist eine sogenannte Subpoena nötig, ein spezifisches US-Rechtsmittel, mit dem natürliche und juristische Personen zur Auskunft gezwungen werden können. Die Subpoenas werden nicht zwangsläufig von Richtern ausgestellt, es ist auch möglich, dass sie von einer Bundesbehörde kommen. Nach Eingang der Subpoena kann die Anfrage binnen einer Stunde bearbeitet werden.

Das Programm wurde öffentlich, weil Drew Hendricks über eine Reihe von Anfragen an die Dokumente gekommen ist. Hendricks ist ein Friedensaktivist aus Washington und hat die Präsentation anschließend an die New York Times weitergeleitet.

Die Regierung pocht darauf, dass mit dem Programm die Privatsphäre der US-Bürger nicht verletzt werde. Die Begründung lautet, dass die Daten nicht seitens der Regierung gespeichert werden, sondern von AT&T. Die Daten können dieser Aussage zufolge von den Beamten nicht eigenständig durchsucht werden.

Rechtsprofessor Daniel C. Richman sagte der New York Times, dass dieser Vorgang ein "verzweifelter Versuch der Regierung" sei, Drogendealer auf dem technisch möglichen Stand zu observieren. Problematisch könnte sein, so Richman, ob eine gigantische Sammlung von privaten Daten noch in Einklang damit zu bringen sei, dass Durchsuchungen "vernünftig" sein müssen.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Regierung habe gesagt, dass Programm werde in drei Bundesstaaten eingesetzt - sie sagte jedoch, dass AT&T-Mitarbeiter in drei Bundesstaaten eingesetzt werden.

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