Katharina Nocun ist kein Fan von Facebook. Sie hat keinen Account und sie will auch keinen. Das dürften viele absurd finden, Facebook ist für Hunderte Millionen Menschen Kommunikations-Infrastruktur. Doch auf dem Hacker-Kongress 32c3 des Chaos Computer Clubs hat Nocun, ehemals politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, ein Publikum gefunden, das ihre Skepsis gegen das Netzwerk teilt.
Schon eine halbe Stunde bevor sie ihren Vortrag beginnt, bildet sich vor dem Saal eine Schlange, viele haben Gepäck dabei - die Reihe an der Garderobe ist am letzten Kongresstag zu lang, die Schließfächer am nahe gelegenen Bahnhof Dammtor sind belegt oder defekt.
"Ich weiß ja nicht, wie viele von euch bei Facebook sind", sagt Nocun und es ist ihr anzuhören: Sie glaubt nicht, dass es allzu viele im Raum sind. Sie selbst war nur kurz in dem Netzwerk angemeldet, nicht unter ihrem echten Namen. Das ist eigentlich nicht erlaubt, und das weiß sie auch: Dinge wie die Klarnamenpflicht sind es, die sie an Facebook stören.
Das Internet habe sich auf eine Art verändert, die sie nicht möge, sagt Nocun. Sie spricht von "gated communities" - eingezäunten Gemeinschaften. Die Kontrolle liege bei einigen wenigen Plattform-Betreibern. Wirtschaftlich gesehen, sei das Marktversagen. Nocun ist Ökonomin, sie hat Wirtschaft studiert, heute betreut sie unter anderem den Widerstand gegen Vorratsdatenspeicherung bei der Kampagnen-Plattform Campact. "Es ist kein wirklicher Wettbewerb mit Facebook möglich", sagt sie. "Facebook ist de facto der Anbieter für soziale Netzwerke für den Großteil der Welt." Sie würde die Leute gerne davon überzeugen, Facebook-Alternativen zu nutzen - doch sie weiß, dass sie kaum Chancen hat, diesen Kampf zu gewinnen. Nicht jenseits dieses Raumes.
Das Netzwerk weiß, wen wir lieben
Die Facebook-Revolution, die Redefreiheit und Demokratisierung bringen soll, ist für Nocun ein falsches Versprechen. "Basierend auf den Informationen, welche Profile wir anklicken, weiß Facebook, in wen wir verliebt sind und ob wir nach einer Trennung noch an einer alten Beziehung hängen", sagt Nocun. Wir dürften auch nicht vergessen, dass Informationen, die genutzt werden, um uns Autos zu verkaufen, in den falschen Händen gefährlich sein könnten.
Dass binnen kurzer Zeit eine ernstzunehmende Zahl von Nutzern Facebook in Richtung eines dezentralen Netzwerks verlassen werden, ist unrealistisch. Schließlich basiert der Erfolg des Unternehmens auf dem Netzwerk-Effekt: Uns ist egal, wie viele Nutzer ein Netzwerk insgesamt hat, solange unsere Freunde und Familie Teil davon sind - egal wo sie wohnen. Je mehr Freunde im selben Netzwerk sind, desto attraktiver wird es für neue Mitglieder. So wächst es, weiter und weiter, generiert immer mehr Einkünfte, während die Betriebskosten pro Person sinken. Ein gutes Geschäft. Vermutlich könnte nur ein großer Skandal Millionen Menschen zum Wechsel bewegen, etwa eine Menge geleakter privaten Daten oder - noch schlimmer - Nachrichten.
Weil alle Interaktionen, alle Kontakte, Unterhaltungen und Daten bei Facebook gespeichert sind, fällt es schwer, zu wechseln. Das Netz wirkt wie ein Kette. Das weiß man auch im Unternehmen. Deshalb sei es dort egal, wenn sich die Nutzer über Datenschutz, Werbung und das Geschäftsmodell beschwerten, sagt Nocun: "Leute werden Dinge tolerieren, die sie sonst nie tolerieren würden, weil es zu anstrengend ist, zu einem anderen Dienst zu wechseln."