Soziale Medien:Wer baut das nächste Facebook?

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Jason Calacanis auf einem Archivbild (Foto: Christopher Prentiss Michel; Christopher Michel / CC BY 2.0)

Bitte Ideen entwickeln - aber dieses Mal ohne Manipulation und Missbrauch! Investor Jason Calacanis ruft zur Entwicklung eines "Milliarden-User-Netzwerks" auf.

Von Michael Moorstedt

Zwischen nachgewiesenen Datenskandalen und dem Vorwurf absichtlicher Manipulation der Nutzerhirne haben die großen Tech-Konzerne ein ziemlich mieses letztes Jahr gehabt. Rufe nach Zerschlagung und Regulierung werden laut, auch innerhalb der Branche rumort es. Verantwortung und Demut forderte Google-Gründer Sergey Brin letzte Woche in einem offenen Brief. Aber es geht noch konkreter: Gadgets, Apps und soziale Netzwerke sollten in ähnlichem Maße mit Warnhinweisen versehen werden wie etwa Tabakprodukte, schlug Marc Benioff vor Kurzem vor. Der Mann ist Chef des Milliardenkonzerns Salesforce und bestens im Silicon Valley vernetzt, für jemanden seiner Reputation ist das schon eine Ansage.

Schadet die schlechte PR dem Geschäft? Das Gegenteil scheint der Fall: Facebook, Google und der Rest haben mal wieder fabelhafte Geschäftsberichte hingelegt. Das Problem ist eben, dass es keine wirkliche Alternative gibt. Und so bleibt es bei vagen Selbstbezichtigungen auf Seiten aktueller und ehemaliger Tech-Investoren und ebenso nebulösen Abstinenzabsichtserklärungen auf Seiten der Nutzerschaft.

Dabei ist es ja nicht so, als hätte man es nicht versucht. Allein in dieser Kolumne sind in den letzten paar Jahren mindestens ein halbes Dutzend neuer Netzwerke vorgestellt worden. Eine Suche im Archiv fördert Namen zutage, an die sich heute kaum noch einer erinnert, Diaspora, Ello oder Mastodon. Alle waren sie angetreten mit großen Hoffnungen, manche setzten ganz auf Privatsphäre und Verschlüsselung, andere wollten ihre Nutzer wenigstens am Verkauf ihrer Daten teilhaben lassen. Mehr oder weniger gescheitert sind sie alle, wurden entweder eingestellt oder führen nur noch ein Nischendasein.

Gesucht werden Ersatzlösungen, die " dieLeute nicht manipulieren"

Jason Calacanis, früher Investor bei Uber - noch so ein wenig sympathisches Tech-Unternehmen -, lobt deshalb seit Kurzem die "Open Book Challenge" aus. Man möchte das nächste "Milliarden-User-Netzwerk" entwickeln, das nebenbei auch noch die Privatsphäre seiner Nutzer achtet, so lautet das Ziel. Er wolle in Ersatzlösungen investieren, "die die Leute nicht manipulieren und unsere Demokratie vor bösen Kräften schützen, die Missinformationen verbreiten wollen".

Es gebe vor allem zwei Gründe, weshalb es bislang noch niemandem gelungen ist, Facebook abzulösen, so Calacanis. Erstens sei der Konzern sehr versiert darin, aufkommende Konkurrenz zum genau richtigen Zeitpunkt aufzukaufen. Sowohl Instagram als auch Whatsapp habe man sich einverleibt, bevor die beiden Unternehmen zu gefährlich werden konnten. Zweitens klaue man ungeniert bei allen Mitbewerbern, die sich einer Übernahme verweigern. Mark Zuckerbergs "Superkraft" bestehe in einem "unmoralischen Ansatz Innovationen zu klauen".

In den nächsten Wochen und Monaten können ambitionierte Teams also bei Calacanis mit ihren Ideen vorstellig werden, Vorgaben gibt es so gut wie keine. Im Herbst werden dann sieben Gewinner ausgewählt. Sie erhalten jeweils 100 000 Dollar, um ihre Pläne zu realisieren, müssen dafür aber auch einen gewissen Anteil an ihrem Start-Up an Calacanis abdrücken. Jeweils sechs Prozent sollen es sein. Hätte auch nur ein Projekt den geplanten Erfolg - Calacanis würde an seinem Plan zur Weltrettung ganz gut verdienen.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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