Nokia verklagt Apple:Wenn Finnen wütend werden

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Nokia beschuldigt Apple, im iPhone patentgeschützte Technik der Finnen einzusetzen. Die Klage ist der Versuch, den Konkurrenten an den Verhandlungstisch zu holen.

J. Kuhn

Der Markt für Multimedia-Handys ist hart umkämpft - und nun werden die Handschuhe ausgezogen: Nokia hat in den USA Patentklage gegen den Konkurrenten Apple eingereicht.

Der Vorwurf: Alle iPhone-Modelle seit der Markteinführung im Jahre 2007 verletzten zehn Nokia-Patente. Dabei handele es sich um fundamentale Elemente wie drahtlose Datenübertragung, Sprach-Encoding, Sicherheit und Verschlüsselung.

"Apple versucht, auf Nokias Rücken eine Freifahrt zu unternehmen", giftete Nokias Vizepräsident Ilkka Rahnasto. Sollte das Bundesgericht im US-Staat Delaware Nokia Recht geben, könnte Apple gezwungen sein, für jedes seiner 30 Millionen verkauften iPhones Lizenzgebühren an Nokia zu zahlen und das finnische Unternehmen zu entschädigen. Beobachter räumen der Klage durchaus Erfolgsaussichten ein.

Ein Patentverfahren ist allerdings eine langwierige Sache, selten stehen sich deshalb große Hersteller von elektronischen Geräten gegenüber. "Niemand hat alle Patente für den Bau eines solch komplexen Geräts wie eines Multimedia-Handys in der eigenen Hand", sagt der Patentrecht-Experte Joachim Henkel von der Technischen Universität München. "Würden sich die Hersteller deswegen immer verklagen, könnten bald keine Handys mehr gebaut werden."

In der Branche ist es die Regel, über die Nutzung von komplexer Konkurrenztechnologie Abkommen zu schließen, damit Unternehmen für ihren Forschungsaufwand auch belohnt werden. Nokia könnte mit der Klage also seine eigene Wertschöpfungskette schützen wollen. Der Zeitpunkt macht allerdings stutzig, ist das iPhone doch schon seit 2007 am Markt erhältlich.

Nokias Angst vor dem Absturz

Fakt ist, dass sich Apple in den vergangenen Jahren zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für Nokia entwickelt hat. Zwar sind die Finnen mit einem Anteil von 45 Prozent immer noch weltweiter Marktführer, doch Apple wächst rasant. Im zweiten Quartal dieses Jahres steigerte das Unternehmen seinen Marktanteil bei Multimedia-Handys auf 13,3 Prozent, ein Jahr zuvor lang dieser noch bei weniger als drei Prozent.

Analysten des Marktforschungsinstituts Gartner rechnen für die zweite Jahreshälfte mit noch größeren Zugewinnen. Gerade auf dem amerikanischen Markt, der zu den wachstumsträchtigsten zählt, droht Nokia mit einem Anteil von drei Prozent in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Experten sehen die Klage deshalb auch als Versuch Nokias, mit Apple ins Geschäft zu kommen. So vermutet Stuart Jeffrey, Analyst beim französischen Investmenthaus Ca Chevreux, dass Nokia es auf einen Vergleich abgesehen haben könnte. Die Finnen, erklärt Jeffrey dem Wirtschaftsmagazin Forbes, könnten die Klage fallen lassen und im Gegenzug die Nutzungsrechte für einige Apple-Ideen erhalten. Hier böte sich die Fingergestentechnik an, mit der Nutzer das iPhone oder den iPod Touch steuern können.

"Apple ist kein Prozess-Faulpelz"

Allerdings ist es fraglich, ob Apple wirklich bereit wäre, wichtige Elemente seiner Bedienungsführung an einen Konkurrenten abzugeben. Einige Beobachter rechnen deshalb damit, dass Apple schon bald mit einer eigenen Klage zum Gegenangriff übergehen könnte. "Apple ist kein Faulpelz, wenn es um Prozesse geht", schreibt IT-Analyst Peter Judge. Nokia könne mit einer Klage wegen seiner Touchscreen-Handys oder dem Ovi-Store rechnen. Letzterer dient dem Herunterladen von Applikationen für Nokias Multimedia-Handys, einem Prinzip, dass frappierend dem iTunes-Store für das iPhone ähnelt.

Nokias Klage kann deshalb als Auftakt für einen langwierigen Prozess gesehen werden. "Ein solches Verfahren kann Jahre dauern", sagt Patentrecht-Experte Henkel. Spätestens bei Erhebung einer Gegenklage wären die Kontrahenten jedoch gezwungen, sich an einen Tisch zu setzen. "Es ist deshalb nicht völlig ausgeschlossen, dass im Hintergrund Gespräche laufen und sich die beiden Unternehmen innerhalb weniger Wochen einigen."

Sollten die beiden Handy-Giganten sich darauf einigen, Technik auszutauschen, hätte das für den Konsumenten Vorteile: Die Entwicklung der Multimedia-Handys würde sich noch einmal beschleunigen.

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