"Nioh" im Test:Purzelbäume gegen den Tod

Die Entwickler von "Nioh" haben sich vieles bei Action-Rollenspielen wie "Dark Souls" abgeguckt. Das ausgeklügelte Kampfsystem macht das Samurai-Spiel trotzdem einzigartig.

Spieletest von Caspar von Au

Worum geht es in "Nioh"?

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(Foto: Sony/PR)

Angespielt, nicht durchgespielt: Unsere Games-Kurzkritik "Screenshot" beantwortet Fragen zu den neuesten Computer- und Videospielen auf allen gängigen Plattformen. Sie gibt einen ersten Eindruck, worauf Sie sich bei einem neuen Spiel freuen können - und wann Sie lieber noch skeptisch sein sollten. Blut spritzt, ein Kopf, ein Arm fliegen durch die Luft, der ursprüngliche Besitzer der Körperteile sinkt zu Boden. Ein weißhaariger Samurai wirbelt über das Schlachtfeld, in jeder Hand ein japanisches Katana-Schwert. Er vollführt eine Rolle, um unter dem Speer eines entgegenstürmenden Kriegers hinweg zu tauchen. Der Samurai sticht mit beiden Schwertern nach seinem Gegner. Als er wieder versucht, einem Angriff mit einer Rolle auszuweichen, trifft ihn eine Axt in die Seite. Der Samurai ist tot - mal wieder. Der Spieletod gehört zu "Nioh" dazu, er ist praktisch unausweichlich. Der Spieler steuert den britischen Samurai William in dem Action-Rollenspiel, das passenderweise vom japanischen Studio "Team Ninja" entwickelt wurde. Im Spiel ist er unsterblich. Sein Schutzgeist verhindert, dass er sich endgültig verabschiedet. Die Handlung spielt in Japan, das im Spiel die mittelalterliche Bezeichnung Zipangu trägt. An dessen Ufern landet William im Jahr 1600 auf einem Segelschiff. Das Vorbild für die Hauptfigur, den Samurai William Adams, hat es wirklich gegeben; die Geschichte, die "Nioh" an seiner Person erzählt, wohl eher nicht. Die kostbarste Währung in "Nioh" ist das sogenannte Amrita, golden funkelnde Kristalle, auch als "Stein der Weisen" bezeichnet. Amrita soll seinem Besitzer große Macht verleihen. Dank der Kristalle haben die Briten im Englisch-Spanischen Krieg Ende des 16. Jahrhunderts triumphiert, zumindest in der Geschichte von "Nioh". Nun soll noch mehr Amrita her und Williams Schutzgeist Saoirse weiß offenbar, wo es zu finden ist. Antagonist Edward Kelley, ein britischer Alchemist, entführt den Schutzgeist deshalb. William folgt Kelley nach Japan, um Saoirse zu befreien. In Japan muss er nicht nur gegen andere Samurai kämpfen, sondern auch gegen Dämonen, genannt Yōkai. "Nioh" ist ein Einzelspieler-Spiel, ähnlich wie in der "Dark Souls"-Serie können andere Online-Spieler in die eigene Welt geholt werden, um gemeinsam gegen die Yōkai zu kämpfen. Das Spiel ist ein Exklusiv-Titel für die Playstation 4.

Was sieht vielversprechend aus?

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(Foto: Sony/PR)

Kompliziert, aber ausgeklügelt: Das Kampfsystem von "Nioh" ist einzigartig - und trennt die guten von den schlechten Samurai. William kann drei Kampfhaltungen einnehmen: hoch, mittel und niedrig. Je mehr Schaden am Gegner eine bestimmte Haltung ermöglicht, desto anfälliger ist der Spieler selbst. Zentrale Mechanik, und genauso wichtig wie der Lebensbalken, ist das sogenannte Ki, die Ausdauer. Jeder Axthieb, jeder Schwung mit dem Katana, jeder Purzelbaum kostet eine bestimmte Menge davon. Ohne Ki kann sich William vor Erschöpfung einige Sekunden nicht bewegen und ist den Hieben seiner Feinde schutzlos ausgeliefert. Das ist oft sein - vorläufiges - Ende, denn die meisten Gegner benötigen nur zwei bis drei Attacken, um William zu töten. Geschickte Spieler können ihr Ki nach einem erfolgreichen Angriff über einen gut getimten Ki-Impuls wieder auffüllen. Neben den fünf Nahkampfwaffen - Katana, Doppel-Katana, Speer, Axt und der Kettensichel Kusarigama - kann der Spieler im Fernkampf Bögen und Gewehre einsetzen. In Kisten und bei besiegten Gegnern gefundene Waffen kann William entweder selbst nutzen oder beim Schmied verhökern. Außerdem kann er im Verlauf des Spiels Ninjatricks und Magie erlernen, zum Beispiel Wurfsterne auf Gegner schleudern oder seine zum Brennen bringen. "Nioh" stellt das fiktive mittelalterliche Japan düster und trotzdem farbenfroh dar: Einerseits läuft der Spieler über finstere Friedhöfe und durch brennende Dörfer. Andererseits ist da das Grün der Landschaften, die Ästhetik japanischer Tempel und Schreine. Einerseits begegnet William einäugigen Riesen mit brennenden Fäusten. Andererseits gibt es die putzigen Kodama, putzige grüne Wesen. Sie helfen William, seine Fähigkeiten zu verbessern, wenn er sie zurück zu ihrem Schrein führt. Vieles im Spiel bleibt ein Mysterium: zum Beispiel, woher William seine Begabung als Samurai hat. Ein cooles Gimmick sind die Gräber anderer Spieler aus dem Online-Netzwerk, über die er immer wieder stolpert. Ein blutiges Katana, das im Boden steckt, markiert die Stelle, an der einer von ihnen zuvor gestorben ist. William kann die Klinge aktivieren und so den Gefallenen wiederbeleben, um gegen seinen Geist zu kämpfen. Belohnt wird der Spieler mit seltenen Gegenständen.

Warum sollte man trotzdem kritisch sein?

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(Foto: Sony/PR)

Beim Spielen wird nicht klar, warum "Nioh" so brutal sein muss, um die Geschichte des ersten europäischen Samurais zu erzählen. Sie würde problemlos auch ohne fliegende Körperteile und spritzendes Blut auskommen. Nichts würde fehlen. Es dauert eine Weile, bis sich der Spieler in dem text- und zahlenlastigen Menü zurechtfindet, in dem der Spieler seine Fähigkeiten, Missionshinweise und gefundene Gegenstände organisiert. Besonders das Inventar, in dem William Waffen und Rüstung aufbewahrt, wird schnell unübersichtlich. Gerade den ein oder anderen nicht besonders wertvollen Gegenstand sollten Spieler der Übersicht halber einfach wegschmeißen, denn William kann unendlich viel im Inventar mit sich herumtragen. Insgesamt ist "Nioh" dennoch ein gelungenes Spiel. Allerdings sollte lieber die Finger von ihm lassen, wer eine geringe Frustrationsschwelle hat. Wie zuletzt "Dark Souls 3" ist es nicht besonders anfängerfreundlich. Es gibt sicherlich angenehmere Tätigkeiten, als 17-mal die selbe Mission wieder und wieder zu spielen, bis man endlich überlebt hat.

Woran erinnert "Nioh"?

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(Foto: Sony/PR)

"Dark Souls", "The Witcher", "The Elder Scrolls": Es scheint, als hätten die Entwickler von "Nioh" bei einigen der erfolgreichsten Action-RPGs der letzten Jahre abgeguckt. William, der Protagonist, erinnert mit seinem weißblonden Pferdeschwanz und seinen Muskeln an Geralt von Riva, die Hauptfigur der "Witcher"-Serie. Der Anfang von "Nioh" ähnelt dem von "The Elder Scrolls: Oblivion" sehr: Der Spieler startet als Gefangener ohne Ausrüstung und muss vor seiner eigenen Hinrichtung aus einem Verlies fliehen. Vor allem aber Spielern der "Dark Souls"-Serie wird vieles bekannt vorkommen: Der Schwierigkeitsgrad ist relativ hoch. Wer nicht aufpasst, wird gleich zu Beginn des Spiels selbst von gewöhnlichen Fußsoldaten niedergestreckt. Regelmäßiges Sterben gehört zu "Nioh" dazu. Dann färbt sich der Bildschirm grau und verkündet: "Befreit vom irdischen Mühsal". Stimmt nicht so ganz. Wenige Sekunden nach dem Spieletod startet, geht es am zuletzt aktivierten Schrein wieder los. Der Spieler muss sich erneut an allen Gegnern vorbeikämpfen, die er zuvor schon besiegt hat, auch sein gesammeltes Amrita hat er verloren. Sisyphus-Arbeit. Fairerweise muss man an dieser Stelle erwähnen, dass "Nioh" auf der Playstation-Seite damit wirbt, von der "Dark Souls"-Serie inspiriert worden zu sein. Anders als das Vorbild besteht "Nioh" jedoch nicht aus einer zusammenhängenden, großen Welt. Der Spieler springt auf einer Karte von Mission zu Mission.

Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

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(Foto: Sony/PR)

April 1598 im Tower of London, draußen gießt es in Strömen. William sitzt in der Düsternis seines Verlieses, nur mit der zerfetzten Unterhose bekleidet. "Der Tod kommt dich holen", flüstert sein rothaariger Schutzgeist Saoirse, der im Raum schwebt: "Folge mir!" Mit bloßen Fäusten hämmert William die Felsmauer seines Verlieses kaputt. Warum sitzt er dort überhaupt? In einer Truhe neben dem Kerker findet er ein Schwert, mit dem er den Wächter umbringt, um zu entkommen. Der einzige Weg nach draußen führt über den Turm. Auf dem Weg haut William mehrere Wachen mit drei Axtschlägen kurz und klein, schwierigere Gegner sind die gepanzerten Ritter, die im oberen Teil der Festung warten. Oben angekommen stellt sich William der erste Boss entgegen, ein Henker namens Derek. Er ist schnell erledigt - zu schnell. Aus dem Nichts erscheint ein Mann mit Glatze und roten Augen, Edward Kelley, der spätere Erzfeind im Spiel. Er belebt den Henker mit schwarzer Magie wieder, was diesen größer und stärker macht als zuvor. Nachdem William den Henker ein zweites Mal tötet, stiehlt der Unbekannte den Geist mit den roten Haaren. Der scheint zu wissen, wo sich noch mehr kostbares Amrati befindet. Im Anschluss an seine Flucht segelt William in den Fernen Osten. In Japan erwarten ihn Dämonen und der Tod, der immer wiederkehrt. "Nioh" ist am 8. Februar 2017 für Playstation 4 erschienen.

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