Keiwan Mir Heidari, heute Mitglied der Geschäftsleitung des P1 in München, erinnert sich, wie Dotcom in den 90er Jahren Woche für Woche an der Tür abgewiesen wurde. Er erzählt auch, dass Dotcom ihm gesagt habe: "Ich will auf einem gewissen Niveau Spaß haben und ich will gewisse Leute um mich herum haben." Sobald Dotcom einen Mensch mit Kamera gesehen habe, soll er "Mach ein Pic" gesagt haben. "Jeder dachte: 'Krass, Kim kennt alle.'" Dotcom selbst trank nie Alkohol - sein Vater war Alkoholiker, prügelte ihn und seine Mutter krankenhausreif.
Er sei "der meistgesuchte Mann des Internets" posaunt die Werbung für die Doku. In Wahrheit kann man Dotcom aus zwei Perspektiven betrachten. Dass keine dieser Perspektiven den harschen Polizeieinsatz rechtfertigt, ist eine der Botschaften des Films.
Entweder man sieht in ihm einen schamlosen Dieb, der Urheberrechte bewusst ignorierte und Dienste entwickelte, über die er sich in einmaligem Ausmaß am Werk anderer bereicherte. Diese Sicht auf Dotcom haben zum Beispiel die Ermittler des FBI. Sie wollen, dass Dotcom an die USA ausgeliefert wird. Der Schaden, den er verursacht habe, belaufe sich auf 500 Millionen US-Dollar.
Es geht nicht nur um illegal weiterverbreitete Popsongs: In der Anklageschrift behauptet das FBI, das über Megaupload auch Videos mit terroristischem und kinderpornographischem Inhalt angeboten wurden. Das lässt den Urheberrechtsverletzer öffentlich noch einmal schlimmer dastehen, als er möglicherweise ist.
Neuseeland erscheint in der Doku als Nation, die - auch auf Wunsch der USA - eigenes Recht bricht. So wurden zum Beispiel Kopien der Rechner von Dotcom in die USA verschickt - obwohl das nicht erlaubt gewesen sein soll. Der neuseeländische Geheimdienst überwachte Dotcom - das war ebenfalls illegal, der damalige Premierminister entschuldigte sich bei Dotcom. Sein Vermögen ist weiterhin beschlagnahmt - er wohnt nicht mehr in dem Anwesen. Von seiner Frau und den fünf Kindern lebt er getrennt.
Zwischen Visionen und Verschwörungstheorien
Wenn der Zuschauer will, kann er in Dotcom auch einen Visionär sehen. So sieht dieser sich ja auch selbst. Er hat aus Ideen - zum Beispiel der Cloud - erfolgreiche Produkte entwickelt. Er wollte Videos der Gumball-Straßenrallye verschicken (bei der heizen Millionäre mit ihren Autos durch Europa), doch die Dateien waren zu groß, um sie per Mail zu verschicken. Also lud er sie auf einen Server - per Mail musste er anschließend nur noch den Link verschicken. Heute nennt man das Cloud - Dropbox und Google Drive bieten ähnliche Dienste an.
Der auf IT-Recht spezialisierte Harvard-Professor Jonathan Zittrain sagt im Film, dass die Menschen auch damals Filme online anschauen wollten und Dotcom das ermöglicht habe - die Menschen "waren froh, dass sie jemanden dafür bezahlen konnten". (Es gab auch eine Bezahlversion von Megaupload, jedoch wurden damit nicht die Inhalte legal, sondern nur die Downloads schneller.)
Die neueste Wandlung von Dotcom fehlt in der Doku. Die hat er vollzogen, nachdem bereits fertig gedreht war. Heute nutzt er seinen Kultstatus unter manchen Menschen, um Verschwörungstheorien zu verbreiten: Zum Beispiel, dass ein Mitarbeiter der Demokratischen Partei umgebracht wurde, weil er Interna der Partei an Wikileaks weitergegeben haben soll. (Die Polizei geht davon aus, dass der Mann erschossen wurde, das FBI geht davon aus, dass die Dokumente von russischen Hackern entwendet wurden und der Tote nichts damit zu tun hatte.) Wer Dotcom und seinen Hass auf die amerikanischen Behörden verstehen will, sollte sich diese Dokumentation ansehen.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version war zu lesen, dass Dotcom neuseeländischer Staatsbürger sei. Das trifft nicht zu. Ebenfalls hat er das Anwesen in Neuseeland nicht gekauft, sondern gemietet. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.