Netzneutralität in den USA:Freier Datenverkehr mit eingebauter Bremse

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Die US-Regulierungsbehörde FCC garantiert erstmals gesetzlich die Netzneutralität - allerdings nur für das Festnetz. Auf dem Mobilfunkmarkt bahnt sich ein Albtraum für Verbraucherschützer an.

Es ist die vielleicht wichtigste politische Internet-Entscheidung des Jahres: Mit einer Mehrheit von drei zu zwei hat die der Regierung unterstellte Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erstmals das Prinzip der Netzneutralität in den USA verbindlich geregelt.

Zusatzkosten für die Facebook-Nutzung: So stellen sich zwei US-Mobilfunkanbieter die Zukunft des Internets vor. (Foto: Screenshot: Wired.com)

Internet-Aktivisten dürfte allerdings kaum zum Feiern zumute sein: In der Entscheidung legte die FCC Ausnahmen fest, die lange Zeit als nicht verhandelbar galten.

"Zum ersten Mal haben wir durchsetzbare Verkehrsregeln, um Freiheit und Offenheit im Internet zu erhalten", sagte Julius Genachowski, Vorsitzender der FCC, nach der Entscheidung laut New York Times.

Der Abstimmung waren monatelange Verhandlungen vorausgegangen - immerhin geht es um die Regelung des Datenverkehrs: Netzneutralität gilt für viele als Grundbaustein des freien Internets. Bislang wurde diese so definiert, dass Internetprovider alle Daten gleich behandeln müssen.

In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise ein Videoportal wie Vimeo nicht durch Sonderzahlungen an Provider erreichen kann, dass seine Videos schneller als die des Konkurrenten YouTube ausgespielt werden. Umgekehrt muss es dem Provider egal sein, ob sein Kunde Internet-Telefonie nutzt, obwohl dies dem Absatz im eigenen Festnetz-Angebot schadet.

Die neue Regelung garantiert diese Formen der Gleichbehandlung auch - allerdings nur bei Festnetzzugängen zum Internet. Die FCC-Entscheidung liegt ziemlich nahe an dem, was im Sommer überraschend der Internet-Konzern Google und der Provider Verizon vorgeschlagen hatten: Das Gleichbehandlungsprinzip gilt nicht für das mobile Internet, bei dem sich Nutzer mit Smartphones ins UMTS-Netz einwählen.

Geld für Facebook-Nutzung

Hier können Anbieter wie Verizon und AT&T künftig zusätzlich Kosten verlangen, wenn ihre Kunden besonders datenhungrige Dienste benutzen. Wie dies aussehen könnte, hatte das US-Magazin Wired vor wenigen Wochen skizziert: Der Publikation war eine Präsentation von Vertretern zweier amerikanischer Mobilfunk-Anbieter, Allot Communications und Openet, zugespielt worden.

Darin werden von mobilen Surfern für den Abruf von Facebook zwei Cent pro Megabyte kassiert, die Nutzung von YouTube kostet 50 Cent pro Monat. Wer den Internet-Telefondienst Skype nutzen möchte, muss drei Dollar monatlich bezahlen. Im Umkehrschluss könnten ähnliche Dienste, die ein Mobilfunkanbieter zur Verfügung stellt, kostenlos angeboten werden - und dem Provider damit einen Wettbewerbsvorteil sichern.

Selbst bei den fünf Kommissionsmitgliedern der FCC gilt die Regelung deshalb als umstritten. Zwei der demokratischen Mitglieder hatten erklärt, nur widerwillig zuzustimmen, da ihrer Meinung nach die Internet-Provider übervorteilt würden. Das fünfköpfige Gremium, das über die Neuregelung abstimmte, besteht aus drei Demokraten und zwei Republikanern.

Allerdings sorgt die als Kompromiss angelegte Lösung auch bei der anderen Seite für Verärgerung: Die republikanischen Vertreter, die traditionell den Telekommunikationskonzernen nahe stehen, hatten im Vorfeld ihre Ablehnung bekundet, da die Neuregelung ein Problem zu lösen trachte, das "überhaupt nicht existiere". Gerald Faulhaber, ein emeritierter Professor der University of Pennsylvania, brachte deshalb in einem Gastbeitrag für das US-Magazin The Atlantic seine Befürchtung zum Ausdruck, dass nun staatliche Regulierung den Wettbewerb behindern und den Konsumenten zum Nachteil gereichen könnten.

Klagen erwartet

US-Präsident Barack Obama hatte während des Wahlkampfs 2008 versprochen, die Netzneutralität gesetzlich zu garantieren. Die Entscheidung der FCC vom Dienstag ist also ganz in seinem Sinne. Sie werde "helfen, das freie und offene Wesen des Internets zu bewahren und gleichzeitig Innovation fördern, Wahlmöglichkeiten der Verbraucher schützen und Meinungsfreiheit verteidigen", sagte Obama.

Der Kompromiss des von ihm bestimmten FCC-Vorsitzenden Genachowski stellt in der Praxis nun keine Seite zufrieden. Weil er noch vom US-Repräsentantenhaus abgesegnet werden muss, werden hier noch Änderungen erwartet.

Es dürften allerdings noch einige Monate ins Land ziehen, bis die neu gewählten Abgeordneten das Thema auf ihre Agenda setzen. Bis dahin dürfte es auch die ersten Klagen gegen die FCC und die US-Regierung geben - unter anderem hat Verizon angekündigt, sich rechtliche Schritte gegen die Netzneutralitätsregeln für das Festnetz vorzubehalten, da dies einen staatlichen Eingriff in die Marktfreiheit darstellen könnte.

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