Hass, Gewalt, Menschenverachtung: Rechtsextremes Gedankengut findet in sozialen Netzwerken immer größere Verbreitung unter Jugendlichen. Das ist das Fazit des jetzt vorgestellten Berichts Rechtsextremismus online 2013 der Jugendschutzstelle Jugendschutz.net. "Während in den vergangenen Jahren subtile Propaganda vorherrschte, stoßen wir mittlerweile regelmäßig auf Darstellungen, in denen Juden, Muslime, Sinti und Roma oder Homosexuelle ohne Umschweife zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden", sagt der stellvertretende Leiter von Jugendschutz.net, Stefan Glaser.
Die Zahl der dokumentierten Jugendschutzverstöße mit Bezug zum Rechtsextremismus erreichte im vergangenen Jahr mit 1842 Fällen einen neuen Rekord. Am häufigsten stoßen die Jugendschützer in sozialen Netzwerken auf rechtsextreme Inhalte. 1460 Fälle wurden im vergangenen Jahr dort dokumentiert. Dabei seien 88 Prozent der Verstöße zugleich auch strafrechtlich relevant gewesen, weil sie Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verbreiteten, volksverhetzend waren oder den Holocaust leugneten. Auch die Zahl der von Jugendschutz.net beobachteten Neonazi-Kanäle im Social Web stieg deutlich an.
Likes und Klickraten steigen den Jugendschützern zufolge besonders dann rasch an, wenn der rassistische Hintergrund nicht gleich erkennbar ist und Beiträge eher auf emotionale Beeinflussung setzten. Immer häufiger würden gefährliche Inhalte zudem über Apps für Smartphones verbreitet. Auch Szene-Händler, die rechte Merchandise-Artikel und Devotionalien vertrieben, verlagerten ihre Auftritte zunehmend auf soziale Plattformen. Die Zahl rechtsextremer Webseiten betrug dagegen laut Bericht in den vergangenen Jahren konstant etwa 1600.
Sie kennen die Spielregeln des Social Web
Markenimage:Lonsdale spielt über links
Der britische Sportartikelhersteller Lonsdale war einst bei Neonazis beliebt - heute sponsert die Firma zwei deutsche Fußballvereine vom linken Rand. Der Deal zeigt, wie die Marke versucht, ihr Image zu wandeln.
Während mehr als die Hälfte dieser Webseiten nach wie vor von deutschen Servern aus betrieben würden, lagern rechte Inhalte in sozialen Medien - auch wegen der Dominanz von US-Anbietern wie Facebook, Youtube oder Twitter - dem Bericht zufolge größtenteils in amerikanischen Rechenzentren. Zunehmende Bedeutung für die Szene habe aber auch das russische Netzwerk VK, da Rassisten hier keine Konsequenzen durch den Betreiber fürchten müssten. Aber US-Dienste wie die zu Yahoo gehörende Seite Tumblr unternähmen zu wenig, um solche Inhalte von ihren Plattformen zu verbannen, kritisiert Glaser.
Dass Rechte inzwischen die Spielregeln des Social Web beherrschen, zeigt eine weitere Beobachtung der Jugendschützer: Neben der viralen Verbreitung ihrer Inhalte durch humorvolle Aufmachung und jugendaffine Sprache starteten sie immer wieder auch Manöver im Stil des Guerilla-Marketings, um Schlagworte und Themen für sich zu besetzen. So seien im vergangenen Jahr rassistische Einträge auf Twitter reihenweise mit dem Hashtag #schauhin gekennzeichnet - der ursprünglich aus einer Kampagne gegen rechts stammte.