Mobile World Congress in Barcelona:Smartphones für alle Lebenslagen

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Konsumenten, Spieler, Cineasten: Obwohl viele Smartphone-Hersteller auf Googles Android-Betriebssystem setzen, versuchen sie unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen.

Thorsten Riedl

Es gibt kein Entkommen. Überall auf der Fira Barcelona ist der kleine, grüne Roboter zu sehen: auf Messeständen, auf Aufklebern, als Hinweisschild am Boden, auf T-Shirts. Der Roboter ist das Maskottchen für Android, das Betriebssystem von Google für Alleskönnerhandys - und Ausdruck eines neuen Lebensgefühls der Branche.

Eine ganze Reihe Smartphones mit Android-Software zeigen die Hersteller auf dem Branchentreff, mit denen das Wachstum zurückkehren soll. Doch wenn alle dasselbe System nutzen, was unterscheidet dann die Geräte?

Die Hersteller versuchen mit ausgefallenen Funktionen zu punkten: Handys zum Spielen, zum Videoschauen oder mit schnellen Prozessoren. Es wiederholt sich die Entwicklung der PC-Industrie - mit rasanterem Tempo. Viele Geräte, die eben erst vorgestellt wurden, sind morgen schon veraltet.

Die Branche kann ihr Glück kaum fassen. Nach Jahren der Stagnation gibt es wieder Lebenszeichen. Die Konsumenten sind verrückt nach Smartphones. Dank Satellitennavigation und Internetzugang wird Telefonieren nur noch eine von vielen Anwendungen auf solchen Geräten.

Mit Hilfe von kleinen Anwendungen, die man sekundenschnell auf das Handy laden kann, lässt sich die Funktionsvielfalt beliebig erweitern: Das beste Restaurant der Stadt? Die schnellste Route zum Flughafen? Das Mobiltelefon liefert dank der heruntergeladenen Apps alle Antworten.

An Apple kommt niemand vorbei

Eins von fünf verkauften Handys war im vergangenen Jahr ein Smartphone, haben die Marktforscher von Gartner ausgerechnet. Das Segment verzeichnete ein Plus von 72 Prozent.

An Apple kommt niemand vorbei, seit das Unternehmen vor vier Jahren sein erstes Mobiltelefon vorgestellt hat - doch Apple stellt nie auf Messen aus. Das haben die Kalifornier nicht nötig.

Die übrigen Hersteller von Smartphone-Systemen suchen in Barcelona ihren Weg: Microsoft hat sich gerade mit Nokia verbündet, Hewlett-Packard nach dem Kauf von Palm vergangene Woche erst die neuen Geräten vorgestellt. Alle drei haben noch keine Geräte in den Läden - im Gegensatz zu Google mit seinem Android-System.

Für Handyhersteller hat die Software einen großen Vorteil: Sie ist kostenlos. Außerdem basiert Android auf dem Open-Source-Gedanken: Jeder, der will, darf daran mitentwickeln. Er muss seine Ideen nur wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. So ist die Dynamik zu erklären, mit der das Google-System wächst.

In wenigen Jahren, so die Marktforscher von Gartner, wird es das wichtigste Betriebssystem für Handys sein.

Samsung, Sony-Ericsson, LG und HTC - alle stellten in den ersten Tagen der Messe neue Smartphones mit Android vor. Ihr großes Problem: "Durch das Gerät allein kann sich kaum noch ein Anbieter von dem anderen abheben, wenn alle auf das gleiche Betriebssystem setzen", heißt es im Umfeld von HTC.

Besondere Funktionen sollen den Kunden deshalb den Kauf erleichtern. Damit vollzieht sich in der Handy-Branche eine Entwicklung, die von der Computerindustrie vorgezeichnet wurde. Gab es dort jahrelang nur graue Kisten, finden sich heute Rechner in allen Formen, Farben und Größen, für verschiedenste Einsatzzwecke.

Der Unterschied: Während die PC-Hersteller Jahrzehnte brauchten, vollzieht sich der Wandel bei den Handy-Herstellern in Monaten. Wer wie Nokia, Microsoft oder Hewlett-Packard Schwäche zeigt, verliert schnell.

Samsung hat in sein Vorzeige-Handy einen NFC-Chip eingebaut, mit dem das Gerät die Kreditkarte ersetzt. Wer einen solchen Chip im Mobiltelefon hat, kann damit bezahlen. LG will bei seinem besten Android-Handy mit einem dreidimensionalen Display punkten, der Bilder wirklichkeitsgetreu auch ohne 3D-Brille zeigt. Sony-Ericsson hat sein Android-Gerät wie einen Controller für eine Videospielkonsole entworfen. Die Nachricht ist klar: Dieses Handy wird zur Spielekonsole für unterwegs.

Mit einer solchen Idee ist zwar schon Nokia grandios gescheitert, allerdings hatten die Finnen keinen Anschluss an den Android-Marktplatz, auf dem es tausende kleiner Spiele gibt. "Wir wollen die Nummer eins bei Android werden", sagt Sony-Ericsson-Chef Bert Nordberg. Außerdem hofft der Manager des japanisch-schwedischen Gemeinschaftsunternehmens auf die Zugkraft der Playstation. Titel für die erste Spielkonsole von Sony sollen auf dem Handy laufen.

Die Zukunft gehört dem mobilen Internet

Der taiwanesische Handyhersteller HTC ist bislang der einzige, der auf Android setzt und durch innere Werte glänzen will. Das Unternehmen ist Kooperationen mit Onlive und Saffron Digital eingegangen. Mit Onlive sollen Spiele auf kleinen Displays möglich werden, weil die rechenintensiven Operationen in einem Rechenzentrum stattfinden.

Mit Saffron Digital liefert HTC Spielfilme in hoher Auflösung auf seine Geräte. Beide Dienste gibt es zunächst nur für den Tabletcomputer des Unternehmens, in absehbarer Zukunft wohl auch für die Mobiltelefone.

Konsumenten, Spieler, Cineasten - die Handyhersteller empfehlen sich trotz desselben Betriebssystems für unterschiedliche Zielgruppen. Allen Smartphone-Nutzern gemein ist aber die Liebe zum Internet.

Das Netz wird mit den Alleskönnergeräten mobil. Im vergangenen Jahr sind 16 Prozent der deutschen Handy-Besitzer mit ihrem Telefon online gegangen, mehr als doppelt so viele wie noch 2009. Bei den 25- bis 34-Jährigen surft sogar schon jeder vierte unterwegs.

Die Entwicklung ist rasant - und stellt die Telefongesellschaften vor neue Probleme. Sie müssen den Datenhunger stillen, verdienen aber wegen sinkender Preise vor allem für Telefonate immer weniger.

Verdoppelung der Umsätze

Ein Vorteil für die Branche: Die Umsätze mit mobilen Daten sollen sich laut Berechnungen von Booz & Co. bis 2015 auf fast elf Milliarden Euro verdoppeln. "Die Netze kommen dann an die Grenzen ihrer Belastbarkeit", sagt Roman Friedrich, Telekommunikationsexperte bei der Unternehmensberatung. Netzausrüster wie Nokia Siemens Networks, Alcatel-Lucent oder Ericsson hoffen auf ein Milliardengeschäft.

In den modernen Mobilfunknetzen werden die Daten mit LTE-Tempo transportiert, um ein Vielfaches schneller als heute. Moderne Smartphones sehen dann aber alt aus. Nur LG zeigte ein LTE-Gerät in Barcelona - verkauft wird es zunächst nur in den Vereinigten Staaten.

© SZ vom 15.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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