Internet-Überwachung:Snowden macht das Internet sicherer

National Security Agency (NSA)

Die NSA-Zentrale in Fort Meade, Maryland

(Foto: dpa)

Für die NSA wird die Arbeit schwieriger: Nutzer verschlüsseln mehr, Konzerne rüsten auf. Was die Dokumente von Edward Snowden bewegt haben - ein Überblick.

Von Varinia Bernau und Jannis Brühl

Was passiert, wenn einer den Vorhang wegzieht und dahinter eine dunkle Welt zum Vorschein kommt? Vor einem Jahr kamen die ersten Dokumente des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden an die Öffentlichkeit. Seitdem ist das Gefühl allgegenwärtig, die eigene Kommunikation auf digitalen Kanälen sei nicht mehr sicher. Erst kam der Schock, dann die Empörung - und schließlich der Versuch, sich vor den gierigen Geheimdiensten zu schützen: Viele Verbraucher suchen Sicherheit, der Druck auf Konzerne und Politiker ist gestiegen. Was hat sich getan seit der ersten Enthüllung im vergangenen Juni?

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Nachrüsten

Lange klagten diejenigen, die in den Unternehmen die IT verantworteten, dass sie sich den Finanzwächtern unterwerfen mussten - und die vor allem an der Sicherheit sparen würden. Ihnen hat Edward Snowden nun die Überzeugungsarbeit erleichtert: Das Bewusstsein dafür, dass Investitionen in die Sicherheit von Unternehmensdaten wichtig, ja sogar notwendig sind, ist im Laufe des vergangenen Jahres gestiegen.

Ein gutes Drittel der hiesigen Unternehmen haben die Enthüllungen zum Anlass genommen, ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken, wie eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom zeigt. Sie kontrollieren inzwischen genauer, wer auf welche Daten überhaupt Zugriff hat, aber auch ihren Virenschutz und ihre Firewalls haben sie verbessert und Notfallpläne für ein Datenleck entwickelt.

Auch große Technologiekonzerne in den USA schließen Sicherheitslücken. Denn nicht immer fragt die NSA dort erst nach - ausgestattet mit einem Beschluss des geheimen Fisa-Gerichtes wie bei dem von Snowden aufgedeckten Prism-Programm. Der US-Geheimdienst konnte mithilfe des britischen Dienstes GCHQ auch Informationen abfangen, die zwischen den gut gesicherten Rechenzentren von Google und Yahoo hin- und hergeschickt wurden. Unter anderem wurde dadurch die Nutzung des E-Mail-Dienstes Gmail unsicherer. Google verkündete deshalb, Daten auf den Wegen zwischen den Rechenzentren zu verschlüsseln. Auch Microsoft verschlüsselt besser und erklärte Schnüffelei von Regierungen zur "fortgeschrittenen, dauerhaften Bedrohung" - ein Status, den der Konzern zuvor für Schadsoftware und Cyberattacken reserviert hatte.

Abschotten

Europa fühlt sich in der NSA-Affäre als Opfer amerikanischer und britischer Allmachtsphantasien. Eine Reaktion: der Ruf nach Abschirmung. Die Telekom wirbt für ein sogenanntes Schengen-Routing. Der Schengen-Raum, in dem sich Menschen frei bewegen können, ohne Grenzkontrollen, umfasst den Großteil der EU, aber nicht Großbritannien. Auch die Arbeit des britischen Geheimdiensts GCHQ sollte das Schengen-Routing also erschweren. Daten, die nur von Amsterdam nach Athen geschickt werden, sollen den Schengen-Raum gar nicht mehr verlassen und keine Umwege über Amerika und Asien machen, wenn es nach der Telekom geht. Die hofft auch auf einen Teil des Geschäfts, den US-Anbieter verlieren könnten. Auch Kanada und Brasilien denken über eigene Netze nach. Skeptiker fürchten allerdings eine "Balkanisierung" des Internets. Vor allem aber zweifeln sie daran, dass regionales Routing überhaupt hilft. Schließlich seien auch europäische Internetseiten mit US-Konzernen verflochten, etwa über Facebooks Like-Button, der auf vielen Webseiten installiert ist. Zudem betrieben auch amerikanische Anbieter wie Google auf dem europäischen Festland Rechenzentren. Zu den dort gespeicherten Informationen können sich US-Geheimdienste mit ihren Vollmachten Zugang verschaffen - weil Google ein US-Unternehmen ist.

Die Idee überzeugt nicht jeden. EU-Kommissarin Neelie Kroes, eine scharfe Kritikerin der NSA, hält nichts von einem Schengen-Internet: "Der Versuch könnte das offene Internet gefährden." Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff rät davon ab, das Netz technisch abzuschotten. Geschätzte 88 Prozent der Daten mit Start und Ziel im eigenen Land würden ohnehin durch Deutschland geleitet. Sinnvoller sei der "verbreitete Einsatz von modernen Verschlüsselungsalgorithmen", heißt es aus Voßhoffs Büro. Klar ist: Solange die Menschen auf Google und Facebook nicht verzichten wollen, hat der US-Geheimdienst immer einen Fuß in der Tür.

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