GhostNet-Spionagenetz:Chinesisches Schattenreich

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Über ein gigantisches Spionagenetzwerk sind kriminelle Hacker weltweit in Regierungscomputer eingedrungen. Eine genaue Analyse von US-Forschern zeigt, wie sie dabei vorgingen.

Die Geisterjäger des Internet sitzen in Kanada: Im März 2009 entdeckten kanadische Forscher der Gruppe Information Warfare Monitor an der Universität von Toronto ein Spionagenetzwerk mit dem Namen GhostNet, das weltweit 1295 Rechner in 103 Staaten infiltriert hatte - unter anderem Computer in Botschaften und Außenministerien. Auch Rechner des Dalai Lama waren betroffen.

Ein Jahr später hat das Team gemeinsam mit Experten der Shadowserver Stiftung eine Studie zum GhostNet vorgelegt. Aus dieser geht hervor, dass die Hacker inzwischen modernste Methoden benutzen - und ihre Spur in eine chinesische Stadt führt.

Demnach lassen sich die Attacken nach Chengdu in Südwestchina zurückverfolgen. Opfer seien vor allem Indiens Regierung und Sicherheitsorgane sowie der das religiöse Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama. Aus dem Bericht geht hervor, dass unter anderem 1500 E-Mails von 2009 aus dem Büro des Dalai Lama ausgekundschaftet worden seien.

Vertrauliche E-Mails aus Indien

Bei der Verfolgung der Spione entdeckten die Forscher auch Dokumente der indischen Regierung, die als "geheim" oder "vertraulich" eingestuft waren. Es sei um geheime Einschätzungen der Sicherheitslage in indischen Bundesstaaten oder Beziehungen Indiens zu anderen Ländern gegangen. Ziel waren auch militärische und wissenschaftliche Einrichtungen. Auch andere Länder sowie die Vereinten Nationen seien betroffen.

"Es gibt auch eine offensichtliche Verbindung zwischen den Opfern, der Art der gestohlenen Dokumente und den strategischen Interessen des chinesischen Staates", heißt es in dem Bericht über das "Schattennetzwerk".

Es sei durchaus möglich, dass die Hacker von Agenten des chinesischen Staates angeführt werden. Doch könne eine Verwicklung der chinesischen Regierung nicht bewiesen werden. Eine wichtige Frage sei allerdings, ob Chinas Behörden jetzt gegen das Spionagenetzwerk vorgehen werden, schrieben die Forscher.

Die Regierung in Peking wies die Vorwürfe umgehend zurück. "Wir verstehen nicht, warum diese Leute immer die chinesische Regierung erwähnen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu.

Hacker-Angriffe aus China veranlassten auch den US-Internetkonzern Google vergangenen Monat zur Überprüfung seines China-Geschäfts und zur Schließung seiner chinesischen Suchmaschine, um sich nicht mehr der Selbstzensur unterwerfen zu müssen. Zwischen den beiden Attacken gibt es allerdings nach Angaben der Forscher keinen erkennbaren Zusammenhang.

Kritik am Cloud-Computing

Das ganze Ausmaß der neuen Cyber-Spionage konnten die Forscher in ihrem Bericht nicht enthüllen. Nach ihrer Kenntnis sind unter anderem Computer einer Vertretung der Vereinten Nationen in Thailand sowie von indischen Botschaften und Konsulaten in Kabul, Moskau, Dubai und Abuja in Nigeria kompromittiert worden.

Vertrauliche und persönliche Visainformationen von Bürgern verschiedener Staaten, darunter auch Deutschland, seien ebenso entwendet worden wie vertrauliche Angaben über Reisebewegungen von Nato-Angehörigen von Indien nach Afghanistan. Die Hacker hätten kostenlos verfügbare soziale Netzwerke wie Twitter, Google Groups, aber auch Blogplattformen wie Blogspots, Baidu Blogs, blog.com zur Kommunikation verwendet.

Die Verwaltung des Netzwerks sei zum Teil über Cloud-Computing-Dienste abgewickelt worden, bei dem Daten nicht mehr auf heimischen Computern, sondern im Internet verwaltet werden. Konzerne wie Amazon, Microsoft oder Google sehen im Cloud Computing einen gewinnträchtigen Zukunftsmarkt.

Diese Technik, über die wir auch bei sozialen Netzwerken unsere Daten verwalten, habe einen "dunklen Kern", heißt es in dem Bericht. Die Sicherheit von Informationen sei "nur so groß wie das schwächste Verbindungsglied in der Kette".

© sueddeutsche.de/dpa/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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