Enttarnte Quelle in der NSA:Warum Wikileaks Kopfgeld auf einen Reporter aussetzt

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Reality Leigh Winner, mutmaßliche Quelle des NSA-Leaks. (Foto: AFP)

Nach der Enttarnung der mutmaßlichen Informantin Reality Winner in der NSA herrscht heftiger Streit. Hat einer der Journalisten, denen sie sich anvertraute, unsauber gearbeitet?

Von Jannis Brühl und John Goetz

Eigentlich ist das geheime Dokument äußerst spannend, das Reality Winner an die Öffentlichkeit gebracht haben soll: Dem internen Bericht der NSA zufolge wollen US-Spione eine Aktion des russischen Geheimdienstes enttarnt haben, bei der dieser vor der Wahl versuchte, in die Systeme eines der Produzenten von Software für die Wahlorganisation einzudringen. Winner, eine ehemalige Angehörige der Air Force, arbeitet für einen externen Dienstleister der NSA und hat deshalb eine Sicherheitsfreigabe. Ihren Beiträgen in sozialen Medien zufolge ist sie eine engagierte Trump-Gegnerin. Festgenommen wurde sie vorigen Samstag - zwei Tage bevor das Dokument öffentlich wurde. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Doch wer in den USA mit Journalismus zu tun hat, diskutiert nicht so sehr über den Inhalt des Dokuments - sondern darüber, wie die 25-Jährige mit dem faszinierenden Namen enttarnt werden konnte. Der Streit über den Umgang mit Quellen wird brutal geführt. Wikileaks hat sogar eine Art Kopfgeld ausgesetzt: 10 000 Dollar für denjenigen, der herausfindet, welcher Reporter für die Enttarnung verantwortlich ist und so zu dessen Entlassung beiträgt. Offensichtlich will Wikileaks-Gründer Julian Assange besonders öffentlichkeitswirksam ein Exempel für den Schutz von Quellen statuieren. Er dürfte so oder so davon profitieren, dass der nächste NSA-Leaker eher zu Wikileaks gehen dürfte als zum Konkurrenten The Intercept - jener Webseite, die in der Kritik steht, Winner ans Messer geliefert zu haben.

Dass so ein Fehler ausgerechnet der Webseite "The Intercept" passiert sein soll, verwundert

Die undichte Stelle fand die Regierung eigenen Aussagen zufolge nur, weil ihr von einem "online news outlet" das geleakte Dokument quasi zurück übergeben wurde, um es verifizieren zu lassen. Aus dem Antrag auf Haftbefehl gegen Winner geht hervor, dass dieser Handlanger den NSA-Dienstleister informierte, von wo das Dokument laut Poststempel abgesendet war: Augusta, Georgia, dem Sitz von Winners Arbeitgeber. Er schickte sogar den ausgedruckten Bericht mit, der die Behörde ursprünglich nie hätte verlassen sollen. Das machte es Ermittlern leicht. Die entscheidende Frage ist: Lieferte einer der vier Autoren des Intercept-Artikels Reality Winner ans Messer?

Eine Rolle spielt wohl auch ein wenig bekannter Deal zwischen Regierungen und Herstellern von Farbdruckern, der eigentlich gegen Geldfälscher eingesetzt werden soll: Auf praktisch jeder in Farbe gedruckten Seite finden sich kaum sichtbare gelbe Punkte, deren Anordnung verschlüsselte Informationen enthält. Erkennbar werden sie nur vergrößert oder unter UV-Licht. Mit ihnen lässt sich nachvollziehen, von welchem Gerät und wann genau das Papier gedruckt wurde. In einem knappen Statement verwies The Intercept darauf, dass die Aussagen der Regierung über die mögliche Beteiligung eines ihrer Reporter "unbewiesene Behauptungen und Spekulation, die der Agenda der Regierung dienen soll" enthielten. Man wisse ja selbst nicht, ob Winner wirklich die Quelle gewesen sei.

Leaks
:Das Geheimnis der unsichtbaren gelben Punkte

Die NSA-Mitarbeiterin Reality Winner wurde verhaftet, weil sie Journalisten geheime Dokumente gesteckt haben soll. Verraten haben könnte sie, dass sie nichts von den Wasserzeichen wusste, die viele Drucker auf Papier hinterlassen.

Von Jannis Brühl

Dass so ein Fehler ausgerechnet The Intercept passiert sein soll, verwundert. Die Seite, finanziert von Ebay-Gründer Pierre Omidyar, hat sich den Schutz ihrer Quellen inklusive verschlüsselter Kommunikation besonders auf die Fahnen geschrieben; sie gilt als knallhart regierungskritisch. Pikant zumindest ist: Einer der vier Autoren des Artikels über die Russen und die WahlSoftware ist Matthew Cole. Mit ihm sprach 2007 der CIA-Mitarbeiter John Kiriakou darüber, dass die CIA Al-Qaida-Mitglieder foltere. Kiriakou musste dafür ins Gefängnis - und macht Coles Fahrlässigkeit für seine Enttarnung verantwortlich.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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