Doku "Pornocracy":"Es gibt keine 'gute alte Zeit' im Porno-Geschäft"

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Dass Pornografie schon vor den Zeiten des Streamings oft auf Ausbeutung beruhte, spielt im Film keine Rolle. Heute kassieren keine Machos in Goldketten, sondern IT-Fachleute wie Thylmann. Was auch immer es früher brauchte, um mit Pornos erfolgreich zu sein: Heute sind andere Fähigkeiten gefragt. Die Unternehmer aus Thylmanns Generation sind Meister der Suchmaschinenoptimierung und der Vermarktung über Links. Sie wissen, wie man gigantische Zugriffszahlen generiert, die Inhalte liefern andere.

Deutlich wird das bei Ovidies Besuch in einem Großraumbüro in Luxemburg, bei einer der großen Plattformen für Sex-Webcams. Die Hälfte der Mitarbeiter sind Programmierer, der Chef sagt: "Wir sind eine IT-Firma." Die Frauen, die sich in Asien, Europa oder Südamerika vor den Kameras ausziehen, habe er nie getroffen. Mehr als eine Million von ihnen seien auf seiner Seite registriert.

Ovidie steht unter dem Verdacht, die Vergangenheit zu verklären. Sie fährt zu tragischer Musik durch Budapest, ihre Stimme spricht: "Jeder, den ich kenne, ist verschwunden." Im Gespräch wehrt sie sich gegen den Vorwurf: "Es gibt keine 'gute alte Zeit' im Porno-Geschäft. Das ist ein Mythos!"

In ihrer neuen Form ist die Branche kaum zu regulieren

Auch wenn die Hintermänner nun Geeks sind statt Milieugestalten: Das Tube-Geschäft habe zu mehr Brutalität geführt, so Ovidies These. Wenn alles nach kürzester Zeit umsonst zu haben sei, müssten die Filme immer extremer werden. Die Doku deutet explizite Bilder immer nur an oder verfremdet sie, aber die Protagonisten sprechen eine deutliche Sprache. Ein Regisseur, der sich das Beherrschen von Digitalkamera und Schnittprogramm selbst beigebracht hat, erzählt: Darstellerinnen würden mit Betäubungsmittel vollgepumpt, um den brutalen Analsex ertragen zu können. Vom Schutz jugendlicher Zuschauer bis zu dem der Darstellerinnen: Die dezentrale Branche, in der jeder auf eigene Faust und nur indirekt für die Plattformen arbeitet, lässt sich kaum regulieren.

Thylmann wurde Ende 2016 wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Er ist nicht mehr Teil von Manwin. Andere Manager haben übernommen und das Unternehmen in Mindgeek umgetauft. Am Ende von Pornocracy bleibt offen, ob der vermeintliche Mastermind nicht doch nur ein Strohmann für andere, unbekannte Akteure war. Das Geschäft der Tube-Seiten läuft auch ohne ihn erfolgreich weiter.

"Pornocracy" wird auf dem Münchner DOK.Fest zu sehen sein, am Dienstag, 9. Mai, um 22 Uhr, und am Samstag, 12. Mai, um 22.30 Uhr, jeweils im Atelier Kino.

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