Mit anderen Worten: Klare Regeln können Innovationen durchaus vorantreiben. Noch nutzen die europäischen Verbraucher ihre Macht nicht, sagt Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Er ist einer der engagiertesten Datenschützer. Mancher hält ihn sogar für datenhysterisch. Doch seine Worte wählt Weichert mit Bedacht: "Wer Google vertrauen will, soll das tun. Ich habe kein Indiz, dass ich denen trauen kann." Er glaubt nicht, dass das Bewusstsein für sorgsamen Umgang mit Daten eine Generationenfrage sei.
Neun von zehn Deutschen nutzen Google, wenn sie online etwas suchen. Google, das ist also nicht nur etwas für Jugendliche. Das ist vor allem ein guter Dienst. Ja, sagt Weichert, er wisse selbst, dass die Ergebnisse dort besser sind als bei ixquick, einer Suchmaschine, die seine Behörde empfiehlt, weil dort keine Nutzerprofile angelegt werden. Je mehr Daten Google sammelt, desto besser wird eben auch die Trefferwahrscheinlichkeit.
Google, so sagt Weichert, habe beteuert, dass es die Daten, die jemand in seinem E-Mail-Postfach hinterlässt, nicht mit denen zusammenführt, die er auf Google+, Youtube oder einer der anderen Plattformen hinterlässt. So recht geglaubt habe er es nie: "Es wäre wirtschaftlich einfach dumm gewesen, dieses enorme Werbepotential nicht auszuschöpfen." Vielleicht sei die Neuregelung der Datenschutznormen ja etwas mehr Ehrlichkeit, ansonsten sei es eine massive Verschlechterung für Verbraucher. Wann immer eine Firma Daten zu einem bestimmten Zweck erhebe, dürfe es diese auch nur zu diesem Zweck verwenden.
Offener Brief an Larry Page
Die Kritik ist keine rein europäische Nörgelei: In den USA haben sich acht Anwälte in einem offenen Brief an Google-Chef Larry Page gewendet - und Nachbesserungen angemahnt. Jeff Chester, Direktor der Bürgerrechtsgruppe Center for Digital Democracy, glaubt, dass Google mit der einheitlichen Datenschutzvereinbarung zu verhindern versucht, dass die amerikanische Aufsichtsbehörde FTC aktiv wird. Im vergangenen Jahr einigte sich Google mit der FTC nämlich auf eine Vereinbarung, die es Google verbietet, irreführende Angaben darüber zu machen, wie das Unternehmen persönliche Nutzerdaten verarbeitet. Darüber hinaus wurde Google auch verboten, die Daten ohne Einwilligung des Nutzers weiterzugeben.
Google selbst argumentiert, es habe die Bestimmungen für seine Dienste vereinfacht - ganz im Sinne Redings.
Stellt sich also die Frage: Was können Datenschützer ausrichten? Die faktische Macht ist gering, gibt Weichert zu - die potentielle Macht aber sei größer. "Wir schöpfen das, was wir könnten, nicht aus", so der Datenschützer. Weil die US-Politiker, die man zwangsläufig bräuchte, um die global agierenden Unternehmen in die Schranken zu weisen, viel zu ehrerbietig gegenüber Konzernen seien, die ihnen Wachstum versprechen.
Weil ein Bußgeld von bis zu 300000 Euro einen Konzern wie Google, der an einem einzigen Tag das Zehnfache verdient, nicht zittern lässt. Und tatsächlich: Setzt sich Reding durch, müsste eine Firma bei Verstößen gegen EU-Regeln Strafen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes zahlen - bei Google wären das angesichts 38 Milliarden Euro Geschäftsvolumen immerhin maximal 760 Millionen. Wie gut, dass Reding eine Höchstgrenze gesetzt hat: bei einer Million Euro. Da tut Datenschutz niemandem weh.