Computersteuerung:Aus die Maus, hallo Hirn

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Touchscreens sind nur der Anfang: Bald schon soll die Kraft der gebündelten Hirnströme der Grapscherkultur am Computer ein Ende machen. Die Auswirkungen auf unseren Umgang mit der digitalen Welt sind beträchtlich.

Andrian Kreye

Die digitale Kultur ist schon lange ihren Anfängen in der Informatik entwachsen. Sie funktioniert wie alle Popkulturen nach einem hierarchischen System der kulturellen Kompetenzen. Nun ist es da nicht so einfach wie in der Mode oder der Musik, wo es schon ausreicht, die richtigen Schuhe zu tragen oder die richtigen Platten zu hören, um solche Kompetenz zu beweisen.

Evolution der Gamepads
:Zocken mit Gesten

Die Steuerung von Spielekonsolen wie PlayStation oder Xbox wird immer einfacher - bald sind nicht einmal mehr Extra-Geräte notwendig. Die Evolution der Gamepads in Bildern.

Die Geschichte der digitalen Kultur war immer schon eine Evolution der Gesten. Früh markierten diese den Status, den man darin einnimmt.

Wer seinen Computer in den sechziger Jahren zum Beispiel immer noch mit Lochkarten füttern musste, zeigte, wie sehr er seiner Zeit hinterherhinkte. Längst konnte man sich mit dem Computer in eigenen Sprachen unterhalten.

Weil das Erlernen dieser Sprachen aber ungefähr so aufwendig war wie das Erreichen des Großen Latinums, reduzierten die Informatiker die Kommunikation mit dem Rechner bald schon auf eine Zeichensprache, die sich heute ungefähr auf dem Niveau dieser bunten Bilderheftchen bewegt, mit denen man als Tourist auf exotischen Marktplätzen zeigen kann, dass man einen Sack Reis, ein Glas Bier oder einen Arzt benötigt. Das ist wahre Benutzerfreundlichkeit.

Kontrolle ohne Berührung

Traum der programmierenden Menschheit war es jedoch immer, jenes schwächste Glied im Dialog zwischen Mensch und Maschine zu eliminieren, das Ingenieure "Interface" nennen. Also all die Tastaturen, Mäuse, Joysticks und Steuermodule, die das Bedienen eines Computers nie über die mechanischen Primitivismen des Industriezeitalters hinauskommen ließen.

Die Bilder zu diesem Traum lieferten zwei Hollywoodfilme. Zum einen Stanley Kubricks "2001", mit dem Bordcomputer Hal, der mit den Raumfahrern spricht, als sei er ein intelligentes Wesen. Zum anderen Steven Spielbergs "Minority Report", in dem Tom Cruise mit lässigen Handbewegungen schillernde Lichtflächen und Ziffern über Plexiglaswände wischt.

Mit dem Versuch, sprachgesteuerte Computer zu entwickeln, deren Bedienung keine logopädischen Grundkenntnisse erfordern, beschäftigen sich ganze Universitäten. Mit würdelosen Verrichtungen wie dem Schieben von Computermäuse über Filzmatten oder gar dem Schreibmaschinentastaturgehacke hat der Elektronikkonzern Apple in den letzten Jahren aufgeräumt. Angefangen hat das mit den Trackpads auf den Laptops. Perfektioniert wurde die neue Gestik auf den Wischfeldern der iPhones.

Weil die Käufer von Schreibtischcomputern der Firma allerdings immer noch in der anachronistischen Gestik der Mäuse und Tastaturen verhaftet waren, hat Apple gerade ein "Magic Trackpad" herausgebracht, damit man nun auch am großen Rechner souverän wischen kann.

Aber weil die Gestik am Gerät eben nicht nur Benutzerfreundlichkeit bedeutet, sondern auch kulturellen Status, ist dieser Schritt nicht zu unterschätzen.Auch wenn die Apple-Ingenieure sicher wissen, dass sie hier nur eine Brückentechnologie geschaffen haben. Denn die Überlegungen und Prototypen der digitalen Vordenker sind längst viel weiter.

Der Informatik-Visionär David Gelernter von der Yale University forderte Anfang dieses Jahres den bildschirmlosen Computer, der wahre Mobilität erlaubt. Der britische Spieledesigner Peter Molyneux arbeitet derzeit an dem Videogame "Milo", d as man über das Microsoft Kinect game control system, also über eine Mischung aus Kamera und Bewegungsmelder, Spielverlauf und -figuren mit einfachen Gesten kontrollieren kann. Der einzige Kontakt zum Gerät ist da der Einschaltknopf.

Steuerung mittels Hirnweleln

Weil aber die physische Bewegung evolutionär gesehen weit hinter dem Denken rangiert, hat die australische Firma Emotiv eine Elektrokopfbedeckung entwickelt, die mit Hilfe von EEG-Technologie die Steuerung mittels Hirnwellen erlaubt.

Das klingt nach Science-Fiction, ist beim Demo für simple Steuerungsfunktionen aber schon recht überzeugend. Die Spieleindustrie interessiert sich. Der wahre Nutzen wird wohl darin bestehen, Rollstühle zu lenken.

Eines scheint jedoch schon klar zu sein - wer in Zukunft noch Geräte berühren oder gar Tasten drücken muss, gehört zu einer anachronistischen Generation der Grapscher. Wer auf sich hält, der ersetzt das Wischen bald durch Winken.

© SZ vom 29.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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