Chinas Suchmaschinen-Markt:Bei Anruf Zensur

Google rebelliert, Rivale Baidu kooperiert: Suchmaschinenanbieter, die in China Erfolg haben wollen, müssen mit den Behörden zusammenarbeiten.

Marcel Grzanna

Würden alle chinesischen Ämter so effizient arbeiten wie die Internet-Zensurbehörde des Landes, bliebe vielen Bewohnern wohl eine Menge Ärger und Zeit erspart. Oft vergehen nur wenige Stunden, manchmal sogar nur Minuten von der Veröffentlichung bis zur Blockierung von Inhalten, die im Sinne der Kommunistischen Partei anstößig oder "gefährlich" sind.

Das Ministerium für Staatssicherheit koordiniert die virtuellen Razzien. Mehrere Ministerien arbeiten ihm zu. Geschätzt wird, dass China für seine Great Firewall, wie die chinesische Internet-Zensur genannt wird, mehrere zehntausend Mitarbeiter und eine kostspielige Technologie einsetzt. Der Aufwand gilt als weltweit einzigartig.

Automatisch blockiert das System mit Hilfe von Schlüsselwörtern große Teile der unerwünschten Inhalte, gerade auch aus dem Ausland. Immer wieder rutscht aber etwas durch, was dann nachträglich von den Mitarbeitern blockiert wird. Kommentare und Beiträge in Internetforen oder Blogs werden nach regierungskritischen Inhalten durchforstet. Für Betreiber von Suchmaschinen ergeben sich auf diesem Markt gewisse Zwänge. Die Regierung fordert sie dazu auf, aktiv bei der Zensur mitzuarbeiten, indem sie ihre eigenen Suchergebnisse manipuliert. So bleibt die Existenz vieler Internetseiten einer breiten Masse von Nutzern in China von vornherein verborgen.

Der Lohn der Mühe: Je größer die Bereitschaft der Suchmaschinenbetreiber zur Mitarbeit ist, desto weniger Schwierigkeiten bereiten die Behörden dem operativen Geschäft der Firma. Zu solchen Hindernissen im Tagesgeschäft zählt etwa die kurzzeitige Blockierung der Seite, was den Anbieter Nutzer, somit Werbeeinnahmen und bares Geld kostet. Wenn wie im Fall Google der Suchmaschinenbetreiber zu gar keiner Zensur mehr bereit ist, droht China kurzerhand mit Rauswurf aus dem Land.

Die chinesische Suchmaschine Baidu gilt dagegen als Liebling der Behörden. Es gilt: Bei Anruf Zensur. Die Betreiber der Seite schlagen keinen Wunsch der Zensoren aus. Die enge Kooperation mit der Regierung gilt als solide Basis des Erfolges von Baidu, weil es sich dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft. Fast zwei Drittel der Suchanfragen auf Chinesisch durch die fast 400 Millionen Internetnutzer im Land erfolgt über Baidu.

Nutznießer Baidu

Google gilt unter Fachleuten im Vergleich zu Baidu aber als Hightech-Suchmaschine und einziger, wahrer Herausforderer. Immerhin eroberte Google seit dem Markteintritt vor vier Jahren rund 36 Prozent Anteil. Den verbleibenden, kleinen Rest des Marktes teilen sich Yahoo und Microsoft-Bing sowie die Suchmaschinen der chinesischen Online-Firmen Sohu und Netease.

Die Rivalen in China hoffen auf neue Geschäfte, seit Google im Januar erstmals nach chinesischen Hackerangriffen mit seinem Rückzug gedroht hatte. "Die hiesigen Anbieter haben mit einer aggressiven Expansionsstrategie begonnen, um Marktanteile von Google abzugreifen", sagt Lin Juan vom Technologie-Forschungsunternehmen Wegde MKI in Peking. Auch Microsoft rechnet mit einem Zugewinn laut Chefstratege Craig Mundie. Allerdings gibt es keine Anzeichen, dass neues Personal eingestellt wird, so wie es chinesischen Mitbewerber tun.

Immerhin geht es um 450 Millionen Euro - so hoch wird der Umsatz von Google in China in diesem Jahr geschätzt, 300 Millionen davon sollen von chinesischen Werbekunden kommen, der Rest von ausländischer Klientel. Experten erwarten, dass der Großteil dieses Betrages künftig an Baidu geht. Der Rivale hat sich zuletzt sogar eine Preiserhöhung geleistet. Ein Kunde zahlt für einen Klick, der über eine Baidu-Verknüpfung generiert wird, nun deutlich mehr als vor einem Jahr. "Klicks, die früher vielleicht drei Yuan gekostet haben, kosten jetzt fünf Yuan", sagt Online-Expertin Lin.

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