Brain-Computer-Interfaces:Facebook greift nach den Gedanken

Hong Gi Kim of South Korea competes  during the Brain-Computer Interface Race at the Cybathlon Championships in Kloten

Südkoreanischer Teilnehmer der Brain-Computer-Interface-Meisterschaften in Kloten in der Schweiz. Das von Facebook gekaufte Start-up CTRL-Labs arbeitet bislang mit einem Gerät, das am Arm befestigt wird, um Gehirnströme zu analysieren.

(Foto: REUTERS)
  • Facebook kauft CTRL-Labs. Die Firma arbeitet an der Entwicklung eines Geräts, mit dem Nutzer per Gedanken Geräte steuern sollen.
  • Berichten zufolge zahlt Facebook mehrere Hundert Millionen Dollar für die Firma.
  • Marktreif ist die Technologie noch lange nicht, und sie wirft einige Fragen auf, zum Beispiel beim Datenschutz.

Von Max Hoppenstedt

"Sie müssen sich gar nicht bewegen, damit wir ihre Absichten analysieren können. Sie müssen lediglich einen elektronischen Impuls generieren", sagt Thomas Reardon. Er ist Chef des New Yorker Start-Ups CTRL-Labs, das gerade von Facebook gekauft wurde. Reardons Unternehmen arbeitet an einer Technologie, die menschliche Gedanken analysieren und speichern soll. Das ferne Ziel des Unternehmens: Ein sogenanntes Brain-Computer-Interface, um Geräte oder Roboter durch reine Gedankenkraft steuern zu können.

Was nach Science-Fiction klingt, könnte in wenigen Jahren schon praktische Anwendungen finden. Facebook-Manager Andrew Bosworth hatte ein sehr anschauliches Beispiel parat, als er die Nachricht von der Übernahme des Start-Ups auf seiner Facebook-Seite postete: Mithilfe der Technik von CTRL-Labs könnte man ein Foto mit einem Freund teilen, einzig in dem man daran denke. Mausklicks oder das Tippen auf einem Smartphone-Screen wären nicht mehr nötig. Eine Vorstellung, die für Gadget-Fans nach dem logischen nächsten Schritt der Technologie-Entwicklung klingen mag, die aber gewaltige Herausforderungen mit sich bringt - nicht zuletzt für den Datenschutz.

Vor vier Jahren wurde das Start-up gegründet. Sichtbarstes Ergebnis seiner Forschung ist ein klobiges Armband, mit rund einem Dutzend kleiner Chips auf der Außen- und Elektroden an der Innenseite. Wer sich das Armband umlegt, kann damit die Signale analysieren lassen, die durch die menschlichen Nervenzellen im Arm fließen. Wenn das Gehirn will, dass die Hand eine Faust formt, sendet es einen Impuls durch diese Nervenbahnen. Dieses Signal liest CTRL-Labs aus und überträgt es an einen Computer. Für den Rechner soll die menschliche Idee, eine Faust zu formen, schlicht ein Datenpunkt sein, der gespeichert wird. Menschliche Gedanken werden zu Einsen und Nullen.

Im Kopf gibt es (noch) zu viele Nebengeräusche

Doch wer den Prototyp von CTRL-Labs nutzt, der gibt dem Unternehmen damit Zugang zu seinen Nervenbahnen, zu neurologischen Informationen, die der Mensch selbst nicht immer kennt. Beim eigenen Smartphone lässt sich deaktivieren, ob man seinen Standpunkt teilen möchte. Für den Träger eines Brain-Computer-Interfaces dürfte die Entscheidung darüber, welche Daten man weitergeben möchte und welche nicht, deutlich schwieriger werden.

Trotz des Prototyps sind Brain-Computer-Interfaces aber noch weit von der Anwendung im Alltag entfernt. Gedanken direkt aus dem Gehirn etwa können die Analysesysteme noch lange nicht zuverlässig und in großer Menge auslesen. Der Grund: Im menschlichen Gehirn werden so viele Signale gleichzeitig verarbeitet, dass die Geräte sie nicht einzeln aufzeichnen und zuordnen können. Deshalb arbeitet CTRL-Labs auch mit dem Gadget am Arm, hier gibt es weniger "Nebengeräusche" in den Nervenbahnen. Dass jedoch auch solche Geräte fehleranfällig sein können, zeigte ein Test der Tech-Seite The Verge im vergangenen Jahr.

CTRL-Labs soll bei Facebook Teil des sogenannten Reality Labs werden. Das Forschungslabor verfolgt futuristische Pläne. Reality-Labs-Chefin Regina Dugan hatte schon im Frühjahr 2017 von Überlegungen gesprochen, Menschen direkt aus dem Gehirn heraus Worte in den Computer schreiben zu lassen. Der aktuelle Firmenkauf zeigt, dass es Facebook mit dieser Vision ernst meint. Ziel von Facebook und CTRL-Labs dürfte klar sein: Sie wollen die ersten sein, die ein Gadget entwickeln, dass die Technologie massenhaft auf den Markt bringt.

Facebook forscht in seinem Reality Lab vor allem an Anwendungen im Bereich Virtual Reality (VR) und Augmented Reality. Dazu gehört auch die VR-Brille Oculus Rift. Die Technik der besonders bei Gamern eingesetzten Brille hatte Facebook auch vor fünf Jahren ebenfalls durch einen Zukauf erworben. Damals hatte Facebook rund zwei Milliarden Dollar investiert, für CTRL-Labs soll Facebook laut Bloomberg zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Dollar gezahlt haben.

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