Bericht für den Bundestag:KI made in Germany

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Sami Haddadin, Ingenieur und Roboterforscher, Leiter des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz der Technischen Universität München. (Foto: Catherina Hess)

Auf mehr als 800 Seiten hat die Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" ihre Ergebnisse vorgelegt. Die Experten fordern: Deutschland soll bei dieser Zukunftstechnologie Vorreiter werden.

Von Mirjam Hauck, München

Den einen gilt sie als "Zauberformel des Fortschritts", andere warnen vor neuen Formen der Überwachung oder der Kriegsführung, für Dritte ist sie einfach die nächste Stufe der Digitalisierung: Sicher ist, dass künstliche Intelligenz (KI) viele Bereiche in der Wirtschaft und der Gesellschaft in naher Zukunft verändern wird - und bereits verändert hat.

Sogar parkende Autos und Sprachassistenten bedienen sich schon heute der KI, aber Maschinen berechnen auch Alltägliches wie Kaufvorschläge in Onlineshops oder Playlisten in Streamingdiensten auf Basis des bisherigen Kauf- und Nutzungsverhaltens. Künstliche Intelligenz heißt aber nicht, dass Computer selber denken. Vielmehr erkennen sie anhand von Daten Muster, lernen daraus und lösen so im Idealfall Probleme.

Um die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Potenziale der neuen Technik besser verstehen und Chancen und Risiken einschätzen zu können, hatte der Bundestag vor zwei Jahren die Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" eingesetzt. Ende September hatte sie erste Ergebnisse vorgestellt, am Mittwoch übergab sie den mehr als 800 Seiten starken Abschlussbericht Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

19 Abgeordnete und 19 Sachverständige arbeiteten an dem Bericht

Der CDU-Politiker sprach von einem "wichtigen Impuls für das Parlament". Schäuble hofft nun, dass die Ergebnisse und Empfehlungen der Experten Einzug in die Arbeit der Fraktionen finden. Am Bericht, der sich einer "menschenzentrierten KI" verpflichtet sieht, haben 19 Abgeordnete aller Fraktionen sowie 19 externe Sachverständige mitgearbeitet. Zu ihnen gehörte unter anderem der renommierte Robotikprofessor der Technischen Universität München, Sami Haddadin.

In sechs Projektgruppen wie "Künstliche Intelligenz und Wirtschaft" oder "Künstliche Intelligenz und Gesundheit" haben die Abgeordneten und die Sachverständigen den Status quo, Vorteile, Nachteile und die Herausforderungen der KI diskutiert und dokumentiert. Wichtig ist der Kommission vor allem, dass der Wertewandel durch die neue Technologie demokratisch gestaltet wird. Die Kapitel beinhalten darum auch Handlungsempfehlungen.

Noch bestimmen asiatische und US-amerikanische Akteure die Entwicklung

So stellt die Projektgruppe "KI und Wirtschaft" fest, dass eine nationale KI-Strategie notwendig sei, die im Sinne von "KI made in Germany" mit qualitativ hochwertigen Anwendungen und Dienstleistungen verbunden werden müsse. Allerdings könne Deutschland nicht im Alleingang, sondern nur gemeinsam mit den zwölf europäischen Partnern eine Wertebasis für KI-Systeme entwickeln.

Der Anspruch müsse dabei sein, dass Deutschland und Europa hier prägend werden und die internationale Entwicklung beeinflussen, die derzeit stark von asiatischen und US-amerikanischen Konzernen und Institutionen dominiert werde.

Die Experten drücken im Bericht ihren Wunsch aus, dass sich Deutschland und Europa vom stark am Markt orientierten Ansatz des Silicon Valley positiv abgrenzen sollten. Sie zeigen sich optimistisch, dass das gelingen kann, da dieser Anspruch schon in anderen Feldern - etwa bei beim Datenschutz - international umgesetzt werden konnte. Dass die Anwender der KI-Technik vertrauen, sei dabei der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg.

KI soll gefährliche, schwere und sich immer wiederholende Arbeit reduzieren

Zum hochsensiblen Bereich der Gesundheitsdaten, auf dem große Hoffnungen bei Forscherinnen und Forschern sowie Medikamentenherstellern ruhen, empfiehlt die Projektgruppe "KI und Gesundheit", dass Patienten die Möglichkeit erhalten sollten, ihre Daten freiwillig der Forschung zur Verfügung zu stellen.

Des Weiteren sollte der Einsatz von KI in der Pflege vor allem darauf abzielen, Pflegekräften Freiräume für pflegerische Kerntätigkeiten und menschliche Zuwendung zu schaffen. Daher sollten KI-Anwendungen für einfache und routinemäßige Tätigkeiten eingesetzt werden. Die Kommission geht davon aus, dass künstliche Intelligenz insgesamt gefährliche, körperlich schwere und immer wiederkehrende Arbeit reduzieren wird.

Der Lobbyverband der Digitalwirtschaft lobt das "Mammutwerk"

Für Sören Bartol, den Vizechef der Bundestags-SPD, zeigt der Abschlussbericht, dass man künstliche Intelligenz nicht fürchten müsse. Gerade in der Corona-Pandemie erlebe man, was KI könne: "Sie ermöglicht Ausbruchsvorhersagen und präventive Eindämmung, Ansteckungsverfolgung und eine verbesserte und schnellere Labordiagnostik." Aber auch in Zukunft würden intelligente Systeme Probleme nicht eigenständig lösen, sondern Menschen vor allem dabei unterstützen.

Der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg, findet, dass sich die Arbeit der Kommission sehen lassen könne: "Der Abschlussbericht ist ein Mammutwerk, das einen einzigartigen Überblick über künstliche Intelligenz und mögliche politische Flankierungen gibt." Es sei ein Referenzwerk geschaffen worden, das über den Tag hinaus wirke.

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