In der mathematischen Welt der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wurde bewiesen, dass die Vorgänge in der physikalischen ebenso wie der biologischen Welt nur in eng definierten Ausnahmefällen mit Rechenmaschinen, auch Turingmaschinen genannt, berechnet werden können; es wurden die sogenannten "unberechenbaren mathematischen Funktionen entdeckt", die offenbar in unermesslicher Vielfalt existieren.
Herausragende Mathematiker wie Kurt Gödel haben damals der heutigen Erkenntnis eine Bahn gebrochen, dass Rechenmaschinen genau das nicht leisten können, was Menschen tagtäglich leisten; gemeint ist die kreative Bewältigung, Formulierung und Lösung von prinzipiell unberechenbaren Problemen und Erscheinungen, für deren Lösung beziehungsweise Verstehen es also keinerlei algorithmische, das heißt rezeptartige Regeln gibt. Wir erinnern auch an Joseph Beuys, der die Kreativität in jeder menschlichen Handlung erkannte und darauf seinen Kunstbegriff gründete.
Rechenmaschinen dagegen sind nicht kreativ, sie sind nicht fähig, intuitiv schöpferisch zu denken, sie können die Welt nicht in begrifflicher Sprache beziehungsweise begrifflichem Text beschreiben und keine Wissenschaft entwickeln. Rechner können menschliches Verhalten durchaus beobachten, kopieren und eventuell statistisch nachahmen bis hin zur Bildung von vernünftig erscheinenden sprachlichen Sätzen. Die Annahme aber, dass androide Roboter eines Tages den Menschen ersetzen oder gar die Macht ergreifen könnten, ist heute so unbegründet wie vor 100 Jahren.
Werner Meixner, 68, ist Informatiker an der Technischen Universität München und beschäftigt sich mit Systemen, die die individuelle Kommunikation schützen sollen.
(Foto: privat)Geistiger Rohstoff
Die Ursprünge menschlicher Kreativität liegen unbestreitbar in jenem intimsten Bereich der seelischen und geistigen Existenz eines Menschen, den man Privatsphäre nennt. Das Wesen der Privatheit erschließt sich, wenn man feststellt, wozu Maschinen nicht fähig sind und was allein der Mensch zu produzieren in der Lage ist. Der Mensch produziert private Entscheidungsdaten, die in kreativer Weise mit seinem Verhalten neu erschaffen werden. Der Mensch setzt damit geistigen Rohstoff in die Welt, der nicht von noch so leistungsfähigen Robotern produziert werden kann. Dieser geistige Rohstoff ist die größte und unversiegbare Quelle von Reichtum, des einzigen und wirklichen Reichtums, der allen Menschen von Natur aus als natürliches Eigentum mitgegeben ist.
Um die Nutzung dieses Rohstoffes ist ein Kampf entbrannt. Man ist an koloniale Zeiten erinnert, in denen der unerschöpflich scheinende Reichtum an Rohstoffen Afrikas mit Zustimmung der dortigen Landesfürsten von fremden Mächten ausgebeutet wurde, ohne dass die dortige Bevölkerung an den Erträgen teilhaben konnte. Europa ist bei der Nutzung des Rohstoffes der privaten Daten dabei, das Afrika des Informationszeitalters zu werden. Es wurde eine Enteignung in Gang gesetzt, die medial und ernst zu nehmend als Ende der Privatheit prognostiziert wird. Experten der Informationsindustrie diskreditieren das Recht auf individuelle Privatsphäre als "Auslaufmodell" mit dem Ziel, den geistigen Rohstoff, der von Menschen produziert wird, wenigen global agierenden Konzernen zu übereignen.