Streamingdienst Apple Music:Mitschwimmen im Strom

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Apple veranstalt seine Worldwide Developers Conference (WWDC) im Moscone Center in San Francisco. (Foto: Bloomberg)

Musikdateien zum kostenpflichtigen Herunterladen - damit schuf sich Apple die Grundlage für weitere Produkte. Aber der neue Trend heißt Streaming - und dabei ist der Konzern hintendran.

Von Johannes Kuhn und Helmut Martin-Jung, San Francisco/München

Die Revolution kam hübsch daher - bunt, ein bisschen knuffig sogar. Praktisch war sie in jedem Fall: Auf einem tragbaren Abspieler - so klein, dass er locker in die Hemdtasche passte - ließen sich Tausende Musikstücke speichern. Die musste man sich nicht mehr irgendwo auf krummen Wegen besorgen, man konnte sie ganz legal, günstig und in guter Qualität kaufen. Bei Apple. Nicht bei Warner Music, Sony und wie sie alle heißen. Bei Apple.

Doch Musikstücke herunterladen, sie zu Hause oder auf Servern irgendwo in der Cloud zu speichern, war noch nicht das Ende. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Musikstücken zum Herunterladen gehen inzwischen stark zurück - das neue Zauberwort heißt Streaming. Die Musikstücke gehören einem nicht mehr, man mietet sich bloß den Zugang dazu übers Netz. Wo immer es Internet gibt, stehen Millionen von Stücken zur Verfügung.

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Und Apple? Hatte sich lange gewehrt gegen den Trend, doch nun, wenn sich wieder Tausende Apple-Entwickler in San Francisco versammeln zu ihrem alljährlichen Treffen, der World Wide Developers Conference (WWDC), wird auch der iPhone-Konzern einen Streaming-Dienst vorstellen.

Apple muss mit Musikstreaming - zunächst - kein Geld verdienen

Apple hatte dazu schon vor einem Jahr für satte drei Milliarden Dollar die Firma Beats Audio gekauft, die man vor allem wegen ihrer designgeprägten Kopfhörer kennt. Weniger für ihr Streaming-Angebot, das aber auch in dem Milliardenpaket steckte. Viel gehört hatte man seit dem Verkauf davon nicht mehr, das Projekt soll vor allem in den Händen von Beats-Gründer Jimmy Iovine und dem Frontmann der Band Nine-Inch-Nails, Trent Reznor, liegen. Beide sind in der Musikbranche als kluge Macher bekannt.

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Eigentlich kommt Apple ja viel zu spät zur Party, doch anders als die Konkurrenz muss Apple mit Musikstreaming zunächst keine hohen Summen verdienen, sondern vor allem dafür sorgen, dass der iTunes-Musikkatalog nicht verstaubt und man am Puls der Zeit bleibt. Der Elektronik-Konzern mit seinen gigantischen Barreserven von mittlerweile fast 200 Milliarden Dollar könnte es sich sogar leisten, für einige Zeit draufzuzahlen - solange er nur weiter so prächtig verdient mit seinem Zugpferd, dem iPhone.

Nur ein Viertel der Spotify-Nutzer zahlt für den Dienst

Für Apple ist ein Streaming-Dienst also ein interessantes Zusatzangebot, keine Frage des Überlebens wie für die reinen Streaming-Anbieter. Diese müssen noch immer kämpfen, um sich behaupten zu können. Marktführer ist das in Schweden beheimatete Spotify. Bei dem hören 60 Millionen Nutzer regelmäßig rein, die meisten allerdings in das kostenlose, durch Werbeeinblendungen finanzierte Angebot. Nur 15 Millionen Spotify-Nutzer haben ein kostenpflichtiges Abonnement abgeschlossen und zahlen monatlich um die zehn Euro.

Apple dagegen hat über seinen iTunes-Laden schon die Zahlungsdaten von 800 Millionen Nutzern. Für sie wäre es nur ein Klick, ein Abonnement für den Apple-Streaming-Dienst abzuschließen. Ein Selbstläufer ist das Projekt deswegen auch noch nicht. Wer schon Spotify oder einen anderen Dienst wie Rhapsody oder Rdio nutzt und damit zufrieden ist, bräuchte erst einmal einen Anreiz, um zu wechseln. Wie die New York Times berichtet, soll Apple versucht haben, in den Verhandlungen mit den Musiklabels den Preis zu drücken. Ziel sei es gewesen, den Dienst für acht statt der üblichen zehn Dollar pro Monat anbieten zu können.

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Dies zeigt, dass sogar der strahlende Apple-Konzern etwas von seinem Glanz eingebüßt hat. Nicht mehr er ist es, der mit einem revolutionären Produkt den Markt aufrollt, er versucht nur, auch dort Fuß zu fassen, wo andere bereits vorangegangen sind. Umso wichtiger wird sein, wie Apples Dienst sich abhebt von den Mitbewerbern, zumal es davon keine werbefinanzierte Version geben wird. Das eine oder andere Exklusiv-Album könnte helfen - auch diese Verhandlungen waren offenbar schwierig.

Dies alleine wäre ohnehin zu wenig. Auch beim Thema Smart Watch kam Apple mit seinem Produkt vergleichsweise spät auf den Markt. Zumindest in San Francisco lauern an jeder Ecke Tech-Hipster, die auffällig-unauffällig auf ihr neues Gerät am Handgelenk blicken. Wie es außerhalb der Techie-Gemeinde aussieht, ist eine spannende Frage. Die Konferenzteilnehmer sind dagegen eher an dem erwarteten neuen Software-Werkzeugkasten für die Uhr interessiert.

Endnutzer, die Apples Produkte bereits länger verwenden, und das aus Gründen wie Rechenleistung und Beständigkeit, haben ganz andere Forderungen: Die Software des Mac-Betriebssystems OS-X hat in puncto Stabilität, Bedienbarkeit und Funktionslogik in den vergangenen Jahren stark nachgelassen, was auch mit dem jährlichen Update-Zyklus zu tun hat. Die Kernkundschaft hofft deshalb - den Anzeichen zufolge nicht vergebens - auf eine neue OS-X-Version, die solche Kern-Qualitäten wieder stärker betont.

Bahnbrechende Innovationen werden wohl ausbleiben

Für iOS 9, die neue Version von Apples Betriebssystem für Mobilgeräte, sind keine größeren Sprünge zu erwarten. Dem iPhone 6 dürfte im Herbst wohl traditionell ein leicht modifiziertes 6S folgen. Eine Aufwertung von Siri als persönlicher Helfer, der sich wie die Konkurrenz von Google Now an das Verhalten anpasst, ergäbe Sinn - und wäre ein weiteres Signal dafür, wie Mobilsysteme um Assistenz-Funktionen erweitert werden.

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© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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