In einer der größten Studien über Tor-Webseiten kommen zwei Forscher zu einem vernichtenden Urteil: Die Untersuchung hätte eine "überwältigende Präsenz illegaler Inhalte ans Licht gebracht", schreiben die Sicherheitsforscher Thomas Rid und Daniel Moore in ihrer Untersuchung für die Denkfabrik International Institute for Strategic Studies (IISS).
Wer mit dem Tor-Browser surft, bleibt anonym. Normale Webseiten, die zum Beispiel auf .com oder .de enden, werden nicht direkt angesurft, sondern ausschließlich über Umwege, in insgesamt drei Schritten. Diese Schritte werden Hops, also Sprünge, genannt. Der Weg ins Netz wird mehrfach verschlüsselt, Webseitenbetreiber wissen so nicht, woher ein Nutzer kommt.
Aktivisten sehen Tor als Königsweg, Internetnutzern absolute Privatsphäre zu ermöglichen - ohne Überwachung durch staatliche Stellen oder andere Neugierige. Tor ist technisch so ausgeklügelt, dass selbst Geheimdienste mitunter verzweifeln. Doch das ermöglicht es auch Kriminellen, ungestört zu agieren. Die Autoren der Studie wollen mit ihren Ergebnissen eine Diskussion über die moralischen Fragen lostreten, die der Dienst aufwirft: Ist das Tor-Netzwerk ein Hort der Freiheit - oder auch der Kriminalität und Gewalt?
Kritik an "Hidden Services"
Die Studie beschränkt sich allerdings auf Webseiten, die ausschließlich im Tor-Browser aufrufbar sind. Diese Seiten werden Hidden Services genannt - versteckte Dienste. Sie enden auf .onion und können nicht mit regulären Browsern wie Firefox oder Chrome aufgerufen werden. Hidden Services sind für einen Bruchteil der Daten verantwortlich, die über Tor ausgeliefert werden - es sollen fünf Prozent des Traffics sein. Silk Road, eine mittlerweile vom FBI ausgehobene Plattform, über die illegale Drogen verkauft wurden, ist der bekannteste Fall von Hidden Services.
Beide Seiten der Verbindung über Hidden Services können anonym bleiben, erklärt IT-Sicherheitsexperte Ralf Weinmann. Nicht nur der Nutzer springt drei Schritte, sondern auch der Anbieter eines Dienstes. Insgesamt gebe es sieben Schritte, bestehend aus "einem Treffpunkt und einer Strecke von jeweils drei Hops", sagt Weinmann. Weil der Treffpunkt im Tor-Netzwerk selbst liegt, werde dieses nicht verlassen.
Anonymisierung, auch von Anbietern
Die Folgen dieser Form der Anonymisierung kritisieren die Autoren der Studie als "hässlich". Die Inhalte, die man in Hidden Services finden könne, seien "wirklich entsetzliches Zeug, das durchweg in unseren modernen Gesellschaften geächtet wird", sagt Moore. Die Hidden Services seien ein Ort im Netz, an dem Straftäter nicht in gleichem Maße befürchten müssten, verfolgt zu werden wie offline.
Die beliebtesten, ausschließlich über Tor zu erreichenden Seiten, haben der Studie zufolge deshalb unter anderem mit Drogen, Geldwäsche oder illegaler Pornografie zu tun. Die letzte dieser drei Kategorien ist den Autoren zufolge am erschütterndsten gewesen: "Webseiten, auf denen Links zur Verfügung gestellt wurden, die anscheinend Videos von Vergewaltigung, Sodomie und Pädophilie zeigen sollen, waren reichlich vorhanden."