Tarifabschluss ohne Pädagogen:Wütende Lehrer

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Ihrer Wut haben angestellte Lehrer in den vergangenen Wochen lautstark Luft gemacht (Bild aus Hannover).  (Foto: dpa)

"Mehr als empört": Kein Tarifabschluss ohne die angestellten Lehrer - das hatten die Gewerkschaften den Pädagogen versprochen. Doch einmal mehr sind deren Forderungen nach einer einheitlichen Bezahlung nun auf der Strecke geblieben.

Von Detlef Esslinger, Potsdam

Als alles vorbei war, fing es eigentlich erst an, die Unterhändler der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dürften es geahnt haben. Wochenlang hatten die Gewerkschaften verkündet, diesmal meinten sie es ernst, diesmal werde es keinen Tarifabschluss geben, ohne dass die Bezahlung der 200.000 angestellten Lehrer geregelt sei. Und, was wurde nun verkündet, im Foyer dieses Hotels am Stadtrand von Potsdam? Ein Tarifabschluss, der alles regelt, nur die Bezahlung der angestellten Lehrer nicht.

Tarifverhandlungen sind immer eine Mischung aus Machtkämpfen und Interessenausgleich - für all diejenigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder, die keine Lehrer sind, wurden am Samstag Ergebnisse mitgeteilt, die akzeptabel sein dürften. Rückwirkend von Januar gibt es für die 800.000 Beschäftigten von 15 Bundesländern (Hessen verhandelt separat) 2,65 Prozent mehr Geld. Im Januar nächsten Jahres folgt eine weitere Erhöhung um 2,95 Prozent.

Azubis bekommen nun rückwirkend seit Januar monatlich 50 Euro mehr, und im nächsten Januar gilt auch für sie die Erhöhung um 2,95 Prozent. Außerdem wird ihnen nach der Abschlussprüfung die Übernahme garantiert. Und sie erhalten 27 Tage Urlaub; alle anderen Beschäftigten kommen künftig auf 30 Tage. Ursprünglich hatten die Gewerkschaften Verdi, GEW, Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Beamtenbund 6,5 Prozent mehr - und dies für ein Jahr - gefordert. Nun haben sie knapp die Hälfte durchgesetzt, das ist gerade noch im Bereich des Üblichen.

Jedes Bundesland bestimmt für sich

Aber die Lehrerfrage. Das Problem bei den angestellten Lehrern ist, dass sie zwar in jedem Land einer Entgeltgruppe zugeteilt sind, diese Zuteilung aber nicht per Tarifvertrag geregelt ist - sodass jedes Bundesland für sich bestimmt, welche Lehrer es in welche Entgeltgruppe einteilt und dementsprechend bezahlt. Die Folge sind Gehaltsunterschiede von bis zu 800 Euro, je nachdem, wo ein Lehrer unterrichtet.

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Mit diesen Unterschieden wollte die GEW Schluss machen. Sie wollte, dass die Lehrer endlich einheitlich bezahlt werden. Sie hat hohe Erwartungen geweckt, dass es diesmal gelingen und sie auch die anderen Gewerkschaften an ihrer Seite haben würde.

Man kann sich also leicht ausmalen, was am Wochenende unter den GEW-Mitgliedern, vor allem den Lehrern, los war. "Ich bin mehr als empört, ich bin wütend"; "Viele große Worte und wieder nichts erreicht"; "Wieder einmal nur als Streikmasse missbraucht" - so steht es in den Kommentaren der Mitglieder auf der Webseite der GEW. Die Erregung ist noch größer als vor zwei Jahren, als schon einmal eine Tarifrunde zu Ende ging, ohne dass die Lehrerbezahlung geregelt wurde.

Jeder vierte Lehrer in Deutschland ist Angestellter, in den Warnstreiks stellte diese Gruppe das Gros der Beteiligten. Sie profitiert zwar von den vereinbarten prozentualen Erhöhungen, dies aber auf der Basis weiterhin sehr unterschiedlicher Gehälter.

Wie geht es nun weiter? Aus dem Debakel vor zwei Jahren haben die GEW-Unterhändler um Vorstandsmitglied Ilse Schaad gelernt, nicht einfach den Shitstorm hinzunehmen, sondern ihm mit Argumenten entgegenzutreten. In Statements und Presseerklärungen wird den Mitgliedern nun versprochen: Nach dem Kampf sei vor dem Kampf. Nun solle "in Ruhe" entschieden werden, wie es weitergeht.

Gibt es jetzt Streiks? Gut möglich. Schaad sagte: "Bei diesem Thema besteht keine Friedenspflicht." Auf der Internetseite ließ sie ihren Pressesprecher erklären, es habe sich gezeigt, dass eine Entgeltordnung für Lehrer über Tarifverhandlungen nicht zu erreichen sei. "Wir werden es erzwingen müssen."

Die Rechtslage ist in der Tat unstrittig. Auch der Verhandlungsführer der Länder, Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), bestritt das Streikrecht der GEW in diesem Punkt nicht. Er setzt aber offenkundig darauf, dass sie sich die Eskalation nicht traut. "Die Menschen würden das kaum nachvollziehen können", sagte er in Potsdam.

Schuld hat immer die andere Seite

Warum der Lehrer-Konflikt ungelöst blieb, darüber machen beide Seiten unterschiedliche Angaben. Die Gewerkschaften sagen, die Länder wollten unbedingt an der einseitigen Festlegung der Gehälter festhalten; vor allem Sachsen habe keinerlei Bereitschaft gezeigt, "die besondere finanzielle Diskriminierung" der Lehrer dort zu beenden. In Sachsen erhalten Lehrer weniger Geld als selbst in anderen ostdeutschen Ländern.

Die Arbeitgeber wiederum führen an, die Gewerkschaften hätten zu viel auf einmal gewollt. Sie seien ja zu Verhandlungen bereit gewesen, aber nur unter der Bedingung, dass die Gewerkschaften währenddessen auf Streiks verzichten.

Über den Lehrer-Streit geriet etwas anderes in den Hintergrund: dass es auch innerhalb der Arbeitgeber zwei Meinungen über diesen Abschluss gab. Er wird sie mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich kosten; bis zu fünf Milliarden sogar, wenn er auch überall auf die Beamten und Pensionäre übertragen würde. Das Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen stimmten ihm nicht zu, müssen sich aber der Mehrheit beugen; der saarländische Finanzminister Stephan Toscani (CDU) machte sein Ablehnung sogar öffentlich: Der Abschluss liege deutlich über dem, was er zuvor eingeplant habe. Manche Länder übertragen das Ergebnis auf die Beamten und Pensionäre, manche nicht.

Finanzminister Markus Söder (CSU) etwa kündigte am Wochenende an, er wolle die Erhöhung "zeit- und inhaltsgleich auf die bayerischen Beamtinnen und Beamten übertragen". Im Saarland ist das noch nicht ausgemacht: Toscani teilte mit, dies werde in seinem Bundesland noch "ein wichtiges Thema" sein.

© SZ vom 11.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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