Studium speziale: Münz- und Geldarchäologie:"Ich habe für die Wissenschaft Geld gefälscht"

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Mehr als 20 000 Studiengänge gibt es in Deutschland, darunter auch einige sehr spezielle Fächer - etwa Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft. Diana Grethlein studiert es.

Protokoll von Bernd Kramer

Diana Grethlein studiert an der Uni Frankfurt Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft. Davor hat sie einen Bachelor in provinzialrömischer Archäologie gemacht - auch speziell, aber noch nicht ganz so.

Warum ich das studiere: "Geschichte hat mich schon immer interessiert. Aber viel spannender als Schriftquellen finde ich Gegenstände und Fundstücke: Was können wir durch sie über die Vergangenheit lernen? Also habe ich zunächst Archäologie studiert. Im Praktikum im Landesmuseum Trier habe ich entdeckt, welche Fundstücke eigentlich die spannendsten sind: Münzen. Viele Archäologen beschäftigen sich ja mit Innenschriften, Gebäuderuinen oder Keramikscherben, die sie manchmal mühsam zusammenpuzzeln. Nichts gegen Scherben, aber Münzen haben mehr drauf. Herrscher ließen ihr Konterfei in das Geld prägen, Münzen dienten als Propagandamittel, sie vermittelten Botschaft, sie geben Aufschluss über Wirtschaftskreisläufe und Handelsbeziehungen. Selbst die hässlichen Münzen sind unglaublich faszinierend. Im Praktikum habe ich mit Tonförmchen gearbeitet, die man in der Trierer Gegend fand. Mit diesen Förmchen haben Münzfälscher damals Geldstücke nachgegossen. Das habe ich 2000 Jahre später auch mit ihnen gemacht - ich habe für die Wissenschaft Geld gefälscht, wenn man so will. Für uns Archäologen sind die Fälscherförmchen eine wichtige Quelle: Welche Münzen wurden nachgegossen und warum? Daraus lässt sich ableiten, wann es wirtschaftliche Krisenzeiten gab."

Die Grundlagenlektüre: "The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage. Die gebundene Ausgabe kostet 146,33 Euro. Ziemlich teuer für Studenten. In meinem Regal steht darum die Taschenbuch-Ausgabe für 45 Euro."

Was ich im Studium mache: "Ich sitze wie jeder andere in Seminaren und Vorlesungen, aber eine Menge lerne ich auch in meinem Job als Hilfskraft an der Uni. Meine Aufgabe ist es, Münzfunde zu erfassen und bestimmen. Gefunden haben die Münzen in der Regel Ehrenamtliche, die mit einer Metallsonde ein von der Denkmalpflege zugewiesenes Gebiet abgehen. Wir bekommen die Funde in kleinen Plastiktütchen, manchmal klebt noch Erde daran. Wenn die Münzen nicht zu brüchig sind, mache ich sie mit einer Zahnbürste sauber und sehe mir die Kaiserporträts auf der Vorderseite an. Wenn ich Glück habe, weiß ich sofort, wen ich vor mir habe: Die Kaiser von Augustus bis Diokletian kann man relativ klar identifizieren. Aber in der Spätantike verschwinden die individuellen Züge und ein Kaiser sieht wie der andere aus. Das macht es schwierig, die Münzen richtig zu datieren. Manchmal sitze ich eine Stunde ratlos vor der Münze. Einmal hatte ich eine Siliqua auf dem Tisch, eine spätantike Silbermünze. Ich dachte: Wahnsinn. Diese Münze findet man in Großbritannien in großen Mengen, aber bei uns kaum. Warum, das ist unklar. Man vermutet, dass es mit der Steuerpolitik zusammenhängen könnte."

Die größte Überraschung: "Wie weit römisches Geld um die Welt gereist ist. Ich habe mich in einem Semiar intensiver mit Indien befasst und darüber eine Hausarbeit geschrieben. Ich war erstaunt über die Unmengen der Silbermünzen, die man dort fand. Vor allem zwei Kaiser sind auf Geldstücken abgebildet: Augustus und Tiberius. Das könnte heißen, dass der Handel zu deren Regierungszeit stattfand. Es kann aber auch sein, dass man indische Geschäftsleute mit Münzen bezahlt hat, die im Römischen Reich längst ausrangiert waren und sie erst später nach Indien kam. In der Forschung ist das eine große Kontroverse. Ich tendiere dabei zu der zweiten Erklärung."

Diana Grethlein

Diana Grethlein studiert Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft an der Uni Frankfurt am Main.

(Foto: privat)

Was man damit wird: "Es ist wie immer in den Geisteswissenschaften: Man studiert erst mal und hofft, dass sich später jemand findet, der einen dafür bezahlt. Stellen für uns gibt es in der Denkmalpflege, in Museen oder in der Forschung. Oder in Auktionshäusern. Aber es ist umstritten, ob das nicht ein Verrat am Fach wäre. Es gibt erstaunlich viele reiche Menschen, die privat antike Münzen sammeln. Für die Forschung sind diese Münzen oft verloren. Ich saß in Fachvorträgen, in denen es hieß: Es gibt zehn Münzen dieser Art, acht davon sind in Privatbesitz. Das will ich eigentlich nicht unterstützen."

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