Studium der Archäologie:Grabenkämpfe

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Staub auf den Lippen, Schwielen an den Händen: Nicht zimperlich sollten Studenten der Archäologie sein - und dazu noch jede Menge Sprachen beherrschen. (Foto: Schrein)

Der Schatz der Geschichte ist oft nur walnussgroß und kaum ein Gramm schwer: Wer sich für ein Studium der Archäologie entscheidet, muss ungewisse Berufsaussichten in Kauf nehmen - und schmutzige Hände.

Von Kevin Schrein

Weil die Aussicht auf ein sicheres Einkommen für Pascal Schlimm irgendwie ihren Reiz verloren hatte, steht er nun mit einer Spitzhacke auf einem Acker in Hermeskeil nahe Trier und drischt auf den Untergrund ein. Mit einer weit ausholenden Armbewegung schwingt er den Pickel in die Höhe, zieht durch und rammt die Spitze in den Boden. Erde und Steinchen spritzen auf. Pascal holt wieder aus.

Vor zwei Jahren hat er sein Betriebswirtschaftsstudium abgebrochen. Bilanzen und Kosten-Nutzen-Rechnungen langweilten ihn. Pascal, in Peru geboren, schrieb sich an der Universität Mainz für das Fach Archäologie ein. Nun ist der 24-Jährige im vierten Semester, hat Staub auf den Lippen und Schwielen an den Händen. Und freut sich darüber: "Es war die richtige Entscheidung."

Archäologiestudenten, mitunter in Teilfächern, gibt es bundesweit mehr als 5000. Das ist im Vergleich zu Massendisziplinen natürlich wenig, aber das Fach erfreut sich steigender Beliebtheit. In Mainz hat Pascal Schlimm etwa 300 Kommilitonen am Institut. Sie alle nehmen unsichere Berufsaussichten und vor allem aber ein anspruchsvolles Studium auf sich.

Sprachliche Hürden

Latinum und Graecum sind Pflicht. Kenntnisse in Französisch, Italienisch und teilweise Türkisch werden oft empfohlen, um die Forschungsliteratur verstehen zu können. Studienberater wissen: Das kann durchaus eine Hürde sein für angehende Archäologen.

Wie ausgehungerte Tiere versammeln sich die Studenten an diesem Augusttag, wenn Kollegen in anderen Fächern die Ferien genießen, um den Grabungskoordinator. Vorsichtig schaufelt dieser mit einer Kelle ein walnussgroßes Teilchen frei und präsentiert es den Studenten, die das kaum ein Gramm schwere Stück Geschichte bestaunen, als hätten sie Caesar persönlich ausgegraben.

Die Grabung findet statt auf den Überresten eines Militärlagers aus der Zeit des Gallischen Krieges, der Bau der Anlage wird auf 53 oder 51 vor Christus datiert. "Aus dieser Zeit wurde in Europa bislang kein Militärlager gefunden", sagt Sabine Hornung, Archäologin in Mainz, die seit 2010 das Projekt in Hermeskeil leitet. Die Studenten wohnen während des Kurses in einer Herberge dort. Hornung sagt sogar: "Es ist die momentan spannendste Ausgrabung in Deutschland."

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Pascal Schlimm legt die Hacke zur Seite, schaufelt Erde in eine Schubkarre und durchpflügt sie mit seinen Händen nach Tonscherben. Mehrere Zentner Erde hat er bereits durchwühlt und einmal einen Becherboden gefunden. "Der Erfolg hat für alle Grabungsstrapazen entschädigt", sagt er.

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Geld für den Einsatz bekommen die Studenten nicht - jedoch kann man sich als angehender Archäologe oft ein paar Euro außerhalb der Uni verdienen. "Meist sucht die staatliche Denkmalpflege Studenten mit Grabungserfahrung. Deswegen bietet sich davor eine Lehrgrabung an einer Universität an", sagt Hornung. Denn bei einer Ausgrabung der Denkmalpflege gehe es darum, "möglichst schnell einen Grabungsplatz zu analysieren und nicht darum, sich in allen Techniken zu versuchen".

Frank Rumscheid kennt die Grabungseuphorie. Er hat schon Hunderte junge Menschen erfolgreich studieren - aber auch scheitern sehen. Die Erstsemester fragt der Professor für Klassische Archäologie an der Uni Bonn in der ersten Übung deshalb: "Was ist Ihr Ziel?" Seiner Einschätzung nach gibt es immer ein gutes Dutzend Studenten, die sich anstrengen und etwas erreichen möchten. "Der Rest teilt sich auf in Unentschlossene, die Archäologie interessiert, die aber noch experimentieren möchten; sowie auf Studenten, die hier parken, weil sie noch nicht wissen, was sie wirklich machen wollen."

"Man muss sich reinhängen"

Zur Sorte der Motivierten gehört wohl Esther Gerlach. Mit Zeichenbrett, Papier und Bleistift sitzt die 23-Jährige am Rand der Grabungsstelle in Hermeskeil und überträgt das Profil einer Erdschicht. Sorgfältig zeichnet sie Steine, Erhebungen und Mulden nach. "Für das Studium braucht man Leidenschaft", sagt sie. "Man muss sich reinhängen und die Semesterferien für Praktika nutzen."

Für sie ist es schon die zweite Grabung. Ihre Chancen, nach dem Abschluss als Archäologin zu arbeiten, sind dennoch gering. Wie generell in den Geisteswissenschaften gilt auch in der Archäologie: Ohne Doktortitel kaum einen Job in der Forschung. Auch kommen auf die wenigen Stellen in der Denkmalpflege und an den Unis ein Vielfaches an Bewerbern. Oft graben Studenten nach dem Abschluss nie wieder - sondern arbeiten in der freien Wirtschaft, wie Studien zeigen.

Einigen gelingen freilich erstaunliche Lebensläufe. So fängt ein ehemaliger Student des Bonner Professors Rumscheid demnächst bei einer Unternehmensberatung in Hamburg an. Der Hochschullehrer warnt seine Erstsemester aber stets: "Wenn Sie viel Geld verdienen wollen, sollten Sie etwas anderes studieren." Allerdings kann man auch als Archäologe Erfolg haben, sagt er: Man brauche eben bestimmte Eigenschaften und vor allem den nötigen Biss. Wie beim Graben.

Pascals Erdhaufen bringt nichts hervor, kein Becherboden. Er leert die Karre, greift zur Hacke, macht weiter. Dass er den Studienwechsel später bereut, glaubt er nicht. Und Pläne hat er auch. Im Masterstudium will er sich auf Südamerika spezialisieren und nach Peru zurückkehren. "Dort haben wir viele unausgegrabene Bauten, da werde ich einen Job finden."

© SZ vom 02.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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