Studium speziale: Brauwesen:"Wer am meisten trinkt, bricht als erstes ab"

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Mehr als 20 000 Studiengänge gibt es in Deutschland, darunter auch einige sehr spezielle Fächer - etwa Brauwesen. Michael Zeilmann studiert es. Folge 1 der neuen SZ-Serie.

Protokoll von Bernd Kramer

Michael Zeilmann hat bereits einen Bachelor in Brauwesen, nun macht er den Master an der Technischen Universität München.

Wie dieses Studium nicht ist: "Einer unserer Profs meinte mal: Viele erwarten, sie werden hier diplomierte Biertrinker. Und wenn ich mit Freunden aus anderen Fächern unterwegs bin, habe ich manchmal das Gefühl: Wenn ich mal nichts trinke, muss ich mich gleich rechtfertigen. Dann heißt es ganz verwundert: Wie, du studierst doch Brauwesen? Aber von einem Pharmaziestudenten würde man ja auch nicht erwarten, dass er ständig Aspirin einwirft. Das hier ist kein Trinkstudium - das lernen wir hier gleich zu Beginn. Bier ist ein Genussmittel. Es verirren sich am Anfang immer mal ein paar in das Studium, die andere Erwartungen haben. Aber mein Eindruck ist eher der: Wer am meisten trinkt, bricht als erstes ab. Bevor ich hierher kam, habe ich fünf Semester Bauingenieurwesen in Dresden studiert. Studenten solcher klassischen Studiengängen trinken aber mindestens genauso viel Bier oder sogar mehr als wir Studenten des Brauwesens."

Der ungewöhnlichste Kurs: "Wir haben eine breite Palette biochemischer und technischer Fächer, besonders bierspezifisch sind Rohstofftechnologie und die Grundlagen der Hefegenetik. Die Vorlesung Allgemeine Sensorik inklusive Praktikum nimmt einen kleinen Teil ein, aber ist vielleicht der ungewöhnlichste Kurs. In dem Modul geht es darum, mit praktischen Übungen die Sinne zu schärfen. Wir trainieren zum Beispiel mit kleinen Glasfiolen, die verschiedene Geruchsaromen beinhalten. Können wir sie richtig zuordnen? Ein typisches Aroma ist zum Beispiel Diacetyl, ein leicht buttriger Geruch. Bei böhmischem Pils ist das ein typisches Aroma, bei anderen Bieren wäre es eher ein Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmt. Unseren Geschmacksinn trainieren wir mit Lösungen: Salz, Zucker, Zitronensäure in verschiedenen Konzentrationen, und für den bitteren Geschmack Koffein. Wie konzentriert muss die Lösung sein, ehe wir den Geschmack wahrnehmen? Und können wir ihn auch bei geringer Intensität von anderen Grundgeschmäckern abgrenzen? Süß und sauer zum Beispiel verwechseln am Anfang viele. Die nächste Stufe ist das Training am Bier selbst: An einem Praktikumstag üben wir mit einem halben bis einem Liter. In der Regel verwirft man das Bier nach der Verkostung, spuckt es also wieder aus."

Michael Zeilmann studiert Brauwesen und Getränketechnologie an der TU München. (Foto: privat)

Das ist durch das Studium für mich anders geworden: "Ich trinke Bier nicht mehr wie früher, und bei meinen Studienkollegen ist es genauso. Wir analysieren sofort, wenn wir in der Kneipe zusammensitzen: Wie ist die Farbe, wie der Geruch, wie der Schaum? Schon am Schaum kann man viel erkennen. Etwa ob über CO2 oder Stickstoff gezapft wurde. Der Schaum kann ein Hinweis darauf sein, dass die Gläser nicht richtig gespült wurden. Man erfährt also auch Dinge, die man nicht wissen will. Wenn ich eine Kneipe nicht kenne, bestelle ich das Bier deswegen eher in der Flasche. Bier gilt ja nicht gerade als akademisches Getränk. Wer etwas auf sich hält, macht ja aus Wein, Whiskey oder Gin eine Wissenschaft, liest Bücher und fachsimpelt. Aber da liegt das ganze Geheimnis meistens in der Reifung. Beim Bier gibt es viel mehr Stellschrauben. Ich würde sogar sagen: Bier ist eines der komplexesten Getränke. Deswegen freut es mich, dass es durch den Craftbier-Trend seinen Proletenruf langsam verliert."

Wo man hinterher arbeitet: "Viele würden es vermuten, aber in einer Brauerei arbeitet man eher nicht. Oder wenn, dann in einer großen. Viele gehen zum Qualitätsmanagement ins Labor oder nehmen Jobs im Maschinenbau an. Das ist auch mein Plan: Ich befasse mich in der Masterarbeit mit den Automatisierungsmöglichkeiten bei Abfüllanlagen. In dem Bereich ist aus meiner Sicht noch viel Potenzial."

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