Selbsttests vor dem Studium:Miese Studenten-Orakel

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Nur im falschen Hörsaal? Oder das falsche Fach gewählt? Jeder dritte Bachelor-Student bricht sein Studium ab. (Symbolbild) (Foto: Stephan Rumpf)

Jura? Oder doch lieber Lehramt? Wer nicht weiß, was er studieren soll, findet Hilfe bei den Hochschulen. Viele Unis bieten Selbsttests für angehende Studenten an. Doch deren Nutzen ist einer Untersuchung zufolge mehr als fragwürdig.

Von Johann Osel

Wenn in wenigen Wochen das neue Semester beginnt, kann ein Studienanfänger zum Sitznachbarn links und rechts blicken - statistisch wird einer von den beiden oder er selbst aufgeben. Ein Drittel aller Bachelor-Anfänger an Universitäten gelangt nicht ans Ziel, sie wechseln das Fach oder verabschieden sich ganz vom Studieren. In Umfragen gaben 30 Prozent dieser Abbrecher an, dass sich ihre Erwartungen nicht erfüllten und ihre Motivation schwand; ähnlich viele scheiterten konkret an Prüfungen.

Beides spricht für eine falsche Wahl des Fachs. Um Abiturienten ins richtige Fach zu bringen, setzen Politik und Hochschulen mittlerweile auf Online-Selbsttests. In einigen Dutzend Angeboten kann man seine Interessen und Talente einschätzen, löst teils Aufgaben in Sprache und Geometrie. Die Akademiker-Orakel verkünden dann passende Fächer.

"Keine verlässliche Entscheidungshilfe" nennt das jetzt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Initiative der Wirtschaft hat sechs Angebote analysiert: unter anderem einen Test der Hochschulen Nordrhein-Westfalens, den einer mittelgroßen Uni in Bayern sowie einen, den die Hochschulrektorenkonferenz mit einem Medienpartner offeriert. Die Untersuchung, die an diesem Freitag erscheint, liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Absurde Vorschläge

Wer eine klare Neigung habe, erhalte "akzeptable Vorschläge", heißt es. Wer unsicher sei und breite Interessen habe, werde enttäuscht - oder bekomme sogar Vorschläge, die seinen Passionen widersprächen. Genau die Gruppe benötige jedoch Hilfe. Alle Verfahren, die der Verband von zwölf Personen absolvieren ließ, seien "durchgefallen".

Der Bericht nennt kuriose Beispiele. So bekam ein Test-Tester, der beim "technisch-praktischen Interesse" magere zwei von 100 Punkten erreichte, als Ratschlag: Maschinenbau. In einem ähnlichen Fall war es die ganze Palette an Technikfächern, sogar Nischen wie Rohstoffingenieurwesen. Bei anderen Tests kamen lange Listen heraus - in der sich Theologie nebst Weinbetriebswirtschaft fand, immerhin den Messwein haben die beiden Fächer gemeinsam.

Dass ein Schüler, "den salopp gesagt alles und nichts interessiert", mit mehr als 100 möglicherweise geeigneten Studiengängen eine bessere Wahl treffen kann, sei "zweifelhaft", schreiben die Autoren der Analyse.

Der Marketing-Gedanke überwiegt offenbar

Konkret rügt der Verband die Gewichtung der Fragen, zum Beispiel beim "Bauchgefühl" der Bewerber. Auch sei in den Tests oft die Absicht erkennbar, möglichst viele Angebote als passend zu preisen. Der Marketing-Gedanke überwiegt offenbar. Alle Tests seien ein "Ansatzpunkt". Statt aber vielerorts "das Rad ohne ausreichende wissenschaftliche Expertise neu zu erfinden", sollte man besser ein bundesweites, fundierteres Angebot entwickeln. Und generell seien die Selbsttests "kein preisgünstiger Ersatz" für die Studienberatung mit echten Personen.

Eine Alternative floriert längst: verbindliche Prüfungen. Die Anzahl der Studienanfänger hat sich bei der Rekordmarke von gut einer halben Million im Jahr eingependelt und wird zunächst wohl stabil bleiben. Knapp die Hälfte aller Studiengänge ist daher mit einem Numerus clausus belegt. Manche Unis vertrauen dabei nicht nur auf die Aussagekraft von Noten. Sie sieben bei der Zulassung zusätzlich mit Eignungstests aus.

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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