Schulen:MV in Bildungsvergleich abgerutscht: Streit um Aussagekraft

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Simone Oldenburg (Die Linke), die Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Jens Büttner/dpa/Archivbild)

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bewertet seit 20 Jahren die Bildungssysteme in den Bundesländern. MV rutscht dort gerade ab. Eine erhebliche Schwäche wird etwa im Bereich IT konstatiert. Bildungsministerin Oldenburg zweifelt die Aussagekraft der Studie an.

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Berlin/Schwerin (dpa/mv) - Das Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern ist in einem bundesweiten Vergleich der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) weiter abgerutscht. Nach Platz neun im Jahr 2021 und Platz zehn im Jahr darauf liegt der Nordosten jetzt auf Platz elf im Ranking der 16 Bundesländer. Angeführt wird die zum 20. Mal erstellte Liste erneut von Sachsen, Bayern und Thüringen. Die Schlusslichter sind Brandenburg, Berlin und Bremen.

Bildungsministerin: Studie nicht aussagekräftig

Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) bezeichnete den Bildungsmonitor als nicht aussagekräftig, um das Bildungssystem in MV zu beschreiben und Verbesserungen herbeizuführen. „Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will mit dem Bildungsmonitor nach eigenen Angaben zeigen, inwieweit das Bildungssystem eines Bundeslandes zum Wachstum und Wohlstand der Wirtschaft beiträgt. Das kann und darf nicht unser primärer Ansatz sein“, erklärte sie. „Lehrerinnen und Lehrer unterstützen junge Menschen bei der Wissensaneignung. Sie bereiten sie auf das Leben vor und fördern sie, damit sie selbstbestimmt agieren können.“

Die Vergleichsstudie des INSM bewertet nach Angaben der Initiative anhand von 98 Indikatoren, inwieweit ein Bundesland Bildungsarmut reduziert, zur Fachkräftesicherung beiträgt und Wachstum fördert.

Opposition: Bildungsmonitor zuverlässiges Instrument

Die Opposition kritisierte die Bildungspolitik des Landes und Oldenburgs Haltung zum Bildungsmonitor. „Der Bildungsmonitor der INSM hat sich im Laufe der Jahre als zuverlässiges Instrument etabliert, um die Qualität der Schulen in den einzelnen Bundesländern zu messen“, hielt der CDU-Bildungspolitiker Torsten Renz der Bildungsministerin entgegen. Die Werte seien alarmierend, Schüler aus MV starteten „mit einem Rucksack voller Steine“ nach der Schule ins Leben. „Der Ausweg wäre, auf Leistung zu setzen“, meinte Renz.

Rot-Rot gehe jedoch in die entgegengesetzte Richtung. „Schlechte Schulnoten werden politisch nach oben korrigiert, das Matheabitur wird in Frage gestellt, Bildungsdefizite aus den Lockdown-Monaten werden weder aufgearbeitet noch ausgeglichen und an der letzten IQB-Studie, die ebenfalls die Leistungsfähigkeit der Schulen in den Blick nahm, hat Mecklenburg-Vorpommern nicht einmal teilgenommen.“ Das Mathe-Abi war in MV dieses Jahr wegen schlechter Ergebnisse pauschal um einen Notenpunkt hochgewertet worden.

AfD fordert Erziehung zu Leistungsbereitschaft

Der AfD-Bildungspolitiker Enrico Schult meinte: „Beunruhigend ist gerade hierzulande der Kontrast zwischen dem Eigenlob des Ministeriums, das die Bildungsqualität beständig zu steigern meint, und den tatsächlichen Wissens- und Könnensdefiziten der Schüler.“ Er forderte mehr Elementarbildung, mehr Fachunterricht, umfassendes Üben und eine „einfühlsame, aber nachdrücklichen Erziehung zur Leistungsbereitschaft, Eigenmotivation und Selbstüberwindung“. Die FDP-Bildungspolitikerin Sabine Enseleit sprach von „potemkinschen Bildungsdörfern“ Oldenburgs, die von den harten Fakten einer wissenschaftlichen Studie eingerissen würden.

Viele Kinder in der Kita, viele Ausländer schaffen Abi

Zu den Pluspunkten in MV zählt aus Sicht des Bildungsmonitors, dass viele Kinder eine Ganztags-Kita besuchen - 73,5 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen. Außerdem machen überdurchschnittlich viele ausländische Jugendliche Abitur. In MV seien es 18,5 Prozent, bundesweit nur 10,2 Prozent. Die SPD-Jugendpolitikerin Nadine Julitz nahm Befunde wie diese zum Anlass zu betonen: „Das zeigt letztlich, dass wir im Bildungsbereich insgesamt gut aufgestellt sind und Bildungserfolg für alle Kinder und Jugendlichen ermöglichen.“

Kritisch merken die Studienautoren an, dass im Nordosten viele Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst werden und dass die Bildungsausgaben je Schüler und Berufsschüler vergleichsweise niedrig sind.

Probleme im Zukunftsfeld IT

Besonderen Handlungsbedarf sehen sie im Zukunftsbereich IT. Zu wenige junge Menschen würden in Informatik ausgebildet, stellen die Forscher fest. „Die Anzahl der neuen betrieblichen Ausbildungsverträge im IT-Bereich pro 100 000 Erwerbstätige fällt mit 20,1 deutlich geringer aus als im bundesdeutschen Durchschnitt (47,4)“, heißt es. „Die Anzahl der IT-Hochschulabsolventinnen und -absolventen pro 100 000 Erwerbstätige beträgt 48,3 (Bundesdurchschnitt: 77,2).“ Auch bei der Ausstattung mit schnellem WLAN an den Schulen sei Mecklenburg-Vorpommern unterdurchschnittlich.

Bundesweit konstatiert der Bildungsmonitor, dass die Kitas und Schulen noch keine gute Antwort darauf gefunden hätten, dass die Schülerschaft in den vergangenen Jahren deutlich heterogener wurde, ein steigender Anteil zu Hause nicht Deutsch spricht oder nur wenige Bücher im Haushalt besitzt, erklärte Studienautor Axel Plünnecke. Die Folge sei, dass die Ergebnisse von Kindern aus Haushalten mit Migrationshintergrund oder von bildungsfernen Haushalten besonders stark gesunken seien.

© dpa-infocom, dpa:230830-99-15133/3

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