Gleich eine ganze Reihe privater Hochschulen haben in den vergangenen Jahren in München aufgemacht. Thomas May dürfte die hiesige Hochschulszene recht gut kennen. Schließlich war er fünf Jahre lang Kanzler der Universität München (LMU). Jetzt ist er Generalsekretär des Wissenschaftsrates, des wichtigsten Beratungsgremiums der Politik in Hochschulfragen, das viele der Neugründungen für eine sogenannte institutionelle Akkreditierung prüft.
SZ: Gibt es bundesweit einen regelrechten Boom der Privaten?
Thomas May: In der Tat hat sich das Segment der privaten Hochschulen in den vergangenen Jahren bemerkenswert deutlich ausgeweitet. Zu den weit über 200 staatlichen Universitäten und Hochschulen in Deutschland kommen jetzt noch einmal gut 125 in privater Trägerschaft. Sie sind jedoch meist klein; eingeschrieben sind dort bislang allenfalls fünf Prozent aller Studierenden.
SZ: In welche Lücke stoßen die Privaten vor?
May: Das Feld, das sie beackern, ist relativ überschaubar. Es gibt einen klaren Fokus auf den Wirtschaftswissenschaften, zudem auf stark anwendungsorientierten Studiengängen mit ausgeprägter Praxiskomponente. Hier ist ihr Angebot oft spezialisierter, sicher auch teurer und stärker auf spezifische Interessenlagen der potentiellen Absolventen ausgerichtet, als das an staatlichen Hochschulen möglich ist. Das Fächerspektrum ist schmal, was man nachvollziehen kann, weil es sehr teuer ist, eine solche Einrichtung zu betreiben, und jede die wirtschaftliche Seite im Blick behalten muss.
SZ: Segeln die Privaten im Kielwasser der Bologna-Reform, die ja mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge derzeit das gesamte deutsche Hochschulsystem auf den Kopf stellt?
May:
Nein, die Reform ist da nicht unbedingt ein Treiber, obgleich die konsekutive Studienstruktur dem Interesse der Studierenden an einem schnellen Abschluss entgegenkommt.
SZ: Gibt es auch halbgare Angebote?
May: Davon gehe ich aus. Umso wichtiger ist die Qualitätssicherung durch eine Akkreditierung der Angebote.
SZ: Ihr Vorgänger hat gesagt, dass die Unabhängigkeit, etwa von Geldgebern, ein kritischer Punkt der Privaten bleibe. Teilen Sie diese Auffassung?
May: Es gibt verschiedene Möglichkeiten im Rahmen der institutionellen Akkreditierung, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Aber natürlich ist es die kritische Frage, welchen Einfluss der Geldgeber auf das Leistungs- und Angebotsspektrum bis hin zur Personalrekrutierung hat. Ein strukturelles Problem der Privaten, denn wer investiert, um eine private Gründung voranzutreiben, tut das natürlich nicht, ohne auch in der Sache mitreden zu wollen.
SZ: Der Wissenschaftsrat selbst hat mehrere Dutzend Einrichtungen bewertet. Wie fiel seine Gesamtbilanz aus?
May: Was die Potenz und die Qualität angeht, ist der Markt sehr heterogen. Es gibt sehr starke private Hochschulen, aber eben auch solche, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie jemals fliegen werden. Wir machen bisher eine Erstakkreditierung nur für einen begrenzten Zeitraum. Damit lässt sich der Marktzutritt einigermaßen strukturieren und sicherstellen, dass keine unseriösen Anbieter auftauchen. Es ist aber ebenso wichtig, später noch einmal zu prüfen, ob die Hochschulen das einlösen konnten, was sie zu Beginn in Aussicht gestellt hatten.
SZ: Hat der Rat einer Einrichtung das Placet schon mal verweigert?
May: Die überwiegende Zahl der Einrichtungen ist von uns positiv akkreditiert, mitunter mit Auflagen. Eine komplette Verweigerung ist eher die Ausnahme. In der Regel setzt die dauerhafte staatliche Anerkennung eine positive Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat voraus. Die einzelnen Studienangebote hingegen werden von speziellen Agenturen begutachtet.
SZ: Hat der Rat Einrichtungen mit einem Standort in München angeschaut?
May: Wir haben beispielsweise die International School of Management in Dortmund und die AMD Hochschule Mode und Design aus Hamburg akkreditiert. Jetzt liegt ein Antrag der Munich Business School vor, zu dem ich aber noch nichts sagen kann.
SZ: Woran kann ein Bewerber erkennen, ob er ein gutes Angebot bekommt?
May: Er sollte auf jeden Fall prüfen, ob die Studiengänge akkreditiert sind und die Einrichtung staatlich anerkannt ist. Beides ist ein Hinweis darauf, dass die Mindeststandards eingehalten sind. Natürlich sollte er auch Kontakt zu Studenten aufnehmen.
SZ: Können ihm Rankings helfen?
May: Schwierige Frage. Wenn man sich bewusst ist, wie heterogen und qualitativ unterschiedlich die Rankings sind, können sie vielleicht erste Anhaltspunkte liefern. Ich würde davon aber nicht zuviel abhängig machen.
SZ: Andere Kriterien?
May: Der Rat hat im letzten Jahr allgemeine Forderungen zur Verbesserung der Lehre aufgestellt. Kernfragen dabei sind: Unterstützt die Lehre die Studenten bestmöglich in ihrem Lernprozess? Sind die Hochschulen bedarfsgerecht finanziert? Haben sie genügend Personal? Haben sie eine Qualitätssicherung? Zugegeben, für Studieninteressenten wird es mitunter schwer sein, die Antworten darauf verlässlich herauszubekommen. Die vom Rat veröffentlichten Akkreditierungsentscheidungen können ihnen dabei jedoch helfen.