Stuttgart (dpa/lsw) - Ein Großteil der Lehrer an den Gemeinschaftsschulen klagt über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Wenn es nicht gelinge, den Job wieder leistbar zu machen, drohe der Schulart eine massive Abwanderung von Fachkräften, sagte Gerhard Brand, Chef des Landesverbands Bildung und Erziehung, am Montag in Stuttgart.
Er verwies auf eine Verbandsumfrage, nach der 95 Prozent der befragten Lehrer und Lehrerinnen von einer sehr hohen (77 Prozent) oder hohen (18 Prozent) Arbeitsbelastung berichteten. Das Land sei in der Pflicht, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Schulart als attraktiven Arbeitsplatz weiterzuentwickeln.
Die Einführung der Gemeinschaftsschule war in Baden-Württemberg umstritten. Sie ist eine Schule für Kinder aller Leistungsstufen. An der Schulform unterrichten nach Verbandsangaben rund 7000 Pädagogen. Die Umfrage ist nach den Worten von Brand keine repräsentative Erhebung. Obwohl sich rund 60 Prozent der Lehrkräfte grundsätzlich mit der Gemeinschaftsschule identifizierten, wollten fast ebenso viele aufgrund der hohen Belastung diese Schulen verlassen.
Zur Verbesserung der Situation forderte der VBE unter anderem mehr Poolstunden. Das sind zugewiesene Stunden an die Pädagogen. Diese können genutzt werden, um Schüler besser zu fördern. Zugleich solle anstelle des Lernentwicklungsberichts zum Halbjahr, den es anstatt der klassischen Zeugnisse gibt, Gespräche geben zwischen Lehrkraft, Eltern und Schüler.
Der Philologenverband übte erneut Kritik an der Gemeinschaftsschule. Landeschef Ralf Scholl erklärte, nach dieser Umfrage helfe kein Schönreden seitens des Kultusministeriums mehr, hier müsse endlich die Konzeption der Gemeinschaftsschule auf den Prüfstand. Grün-Rot hatte die umstrittene Schulart eingeführt. Die SPD-Abgeordnete Katrin Steinhülb-Joos sagte, die Schulform habe sich im baden-württembergischen Schulsystem längst etabliert. „Das pädagogische Konzept wird von den Lehrkräften unterstützt und leistet einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.“
Der FDP-Politiker Timm Kern sprach mit Verweis auf die Umfrage von einem „bildungspolitischen Scherbenhaufen“. Die AfD forderte die Abschaffung der Gemeinschaftsschule und eine Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem.
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