Medizinstudium:Wer darf Arzt werden?

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Medizinstudierende im historischen Hörsaal am Institut für Anatomie der Universität in Leipzig (Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa)

Angehende Medizinstudenten sollen ihren Charakter künftig in Assessment-Centern prüfen lassen, wenn es nach Ärztepräsident Montgomery geht. Die Zunft streitet.

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Es könnte ein neues TV-Format werden. Die Kandidaten geben ihr Bestes, die Jury entscheidet - nur würde in dieser speziellen Castingshow nach Doktoren gefahndet, die beherzt zupacken und zugleich mitfühlend sind. Sie kennen den Stand der Forschung wie die kleinen Sünden ihrer Klientel. Ein solcher Superarzt wäre nicht nur ein Meister an Skalpell und Stethoskop, sondern auch ein Seelentröster. So muss man sich wohl die Fantasie von Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery vorstellen, der gerade vorgeschlagen hat, die Eignung von Medizinstudenten in Assessment-Centern testen zu lassen.

"Fachliche und menschliche Voraussetzungen für den Arztberuf sollten dort geprüft werden", sagte Montgomery in einem Zeitungsinterview. "Ein solches Verfahren muss gesetzlich eingeführt werden. Freiwillig werden die Unis dies nicht machen."

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In der Medizin besteht Reformbedarf

Nun sind Klagen über die falsche Auswahl von Medizinstudenten so alt wie das Studium selbst. Längst entscheidet nicht mehr allein die Note im Abitur. An den meisten Universitäten müssen zusätzlich Tests und Gespräche absolviert werden, bevor der begehrte Studienplatz vergeben wird. Hier hat sich viel getan, zudem ist die Kritik am Abitur irreführend. Als einziges Kriterium für die Zulassung greift es zu kurz. Aber ein guter Abiturient kann durchaus ein guter Arzt werden - und eine schlechte Note im Reifezeugnis ist nicht gleichbedeutend mit mehr Menschlichkeit oder operativem Geschick.

Überhaupt stellt sich die Frage, wonach gesucht werden soll, nimmt man die populistische Forderung des Ärztekammerpräsidenten in der Rheinischen Post ernst. Wer als Arzt im Labor tätig ist, als Gerichtsmediziner oder wie Montgomery selbst in den Dunkelkammern der Radiologie, hat wenig Publikumsverkehr und braucht andere Fähigkeiten als ein Landarzt. Und während die einen menschlichere Ärzte wollen, fordern die anderen bessere Kenntnisse in Naturwissenschaften. Recht haben beide. Kürzlich beklagte Wolf-Dieter Ludwig "die vergeudete Lebenszeit" mancher Studenten. Der Chef der Krebsmedizin in Berlin-Buch wird oft als Gutachter für Doktorarbeiten angefragt. Gelegentlich sind sie von keinerlei wissenschaftlichem Verständnis und statistischen Kenntnissen durchdrungen.

"Die Universitäten haben jahrhundertelange Erfahrung in der Auswahl von Medizinstudenten", sagt Martin Fischer, Chef der Medizindidaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Alle sollten wissenschaftsbasiert zu Ärzten gemacht werden, aber die Profile der Fakultäten sind doch unterschiedlich und das sollte in der Bewerberauswahl eine Rolle spielen." An manchen Universitäten werden vermehrt Hausärzte ausgebildet, andernorts prägen Spitzenforschung und Maximalversorgung das Umfeld.

Reformbedarf gibt es in der Medizin durchaus. Statt die Zulassungskriterien zum Studium zu kritisieren, müsste eher die Weiterbildung strukturiert werden. Fachärzten werden gelegentlich Kenntnisse bescheinigt, die sie nicht erworben haben. Und die Facharztprüfung ist eher ein kollegiales Gespräch als ein Test. Manche Ärzte, die auf diese Weise zertifiziert sind, taugen kaum zum Superarzt - und werden trotzdem auf die Patienten losgelassen.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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