Die Arbeit eines Stempelmachers, sagt Manfred Ellerbrock, gleiche der eines Musik-Komponisten. Wenn der einen Hit schreiben wolle, stehe er vor der Wahl: erst die Musik und dann den passenden Text? Erst den Text und dann die Melodie? Genauso, sagt Ellerbrock, müsse auch er sich entscheiden, wenn er einen Stempel komponiere: erst der Text oder erst das Bild? Sein Erfolgsrezept: Das Bild entsteht zuerst, denn die Bilder seien es, die seine Stempel unverwechselbar machten. Nur einmal habe er es andersherum gemacht: 1987 war das, beim "Rechenkönig", seinem ersten Stempel überhaupt. Jenem Stempel also, mit dem Ellerbrock eine kleine Revolution an Deutschlands Grundschulen in Gang setzte.
Ein Vormittag Mitte Februar. Manfred Ellerbrock, 68 Jahre alt, ein rundlich gebauter Mann mit Bürstenschnitt und blendender Laune, ist mit seiner Frau nach Stuttgart gekommen, auf die Bildungsmesse Didacta. Alte Gewohnheit, einerseits, denn jahrelang hatte Ellerbrock hier selbst einen Stand, wo er Lehrer von den Vorzügen seiner Stempel zu überzeugen versuchte - nach eigener Darstellung stets mit überwältigendem Erfolg. Und andererseits eine gute Gelegenheit, um bei der Konkurrenz vorbeizuschauen. Mehrmals, sagt Ellerbrock, habe er seine Ideen und einmal sogar den Namen seines Verlags vor Gericht verteidigen müssen: Elbi, eine Kombination aus Ellerbrock und Bieringen, sein Heimatort nahe Heilbronn.
Jetzt hat Ellerbrock, pensionierter Grund- und Hauptschullehrer und noch immer aktiver Unternehmer, in einem runden Sessel Platz genommen, auf dem Glastisch vor sich eine kleine Auswahl aus seiner Produktpalette. Er erzählt, wie das damals war, vor 30 Jahren, als er den "Rechenkönig" erfand, den zumindest seiner Erinnerung nach ersten Lehrerstempel, den es in der BRD zu kaufen gab. (In der DDR, wo fleißige Schüler ein Bienchen ins Heft bekamen, hätten sie damals schon eine gewisse "Stempelmentalität" gehabt, sagt Ellerbrock anerkennend.)
Viele Eltern wundern sich über die Stempelmentalität, die heute in deutschen Grundschulen Einzug gehalten hat. Über die bunten Smileys und Bildchen, die sie in den Heften ihrer Kinder finden, wo früher vielleicht ein "Weiter so" oder ein "Gut gemacht" gestanden hätte. Es dürfte heute kaum einen Grundschullehrer geben, der nicht mindestens einen Lehrerstempel besitzt, viele haben sogar eine ganze Batterie, für jeden Anlass einen. Die Kinder lieben sie und viele Lehrer ebenfalls - auch, weil die Stempel ihnen beim Korrigieren Zeit ersparen. Viele Hersteller berichten von einer anhaltend hohen oder steigenden Nachfrage und bringen immer wieder neue Motive auf den Markt. "Aus den Lehrerstempeln ist mittlerweile ein florierender Handwerkszweig entstanden", sagt der Grundschulpädagoge Johannes Jung von der Uni Würzburg. Eine Entwicklung, die ihn bis heute überrascht.
Der "Rechenkönig" entstand 1987 gewissermaßen als Koproduktion des Unternehmers Manfred Ellerbrock und des Lehrers Manfred Ellerbrock. Der Unternehmer suchte für seinen neugegründeten Schulverlag noch ein zweites Zugpferd, neben Übungsheften für Erstklässler. Der Lehrer suchte nach einer besonderen Motivation, damit seine Schüler sich beim Wettbewerb im Kopfrechnen ein bisschen mehr anstrengen. Das Ergebnis war ein gekrönter Monarch im Hermelin auf dreieinhalb mal dreieinhalb Zentimetern, der den linken Daumen anerkennend in die Luft streckt. Handarbeit, so wie alle 200 Lehrerstempel, die Ellerbrock heute im Angebot hat und so wie alle 500 Motive, die er in den vergangenen 30 Jahren ersonnen hat.
Bei zehn Stempeln gibt es eine Belohnung
Seine Schüler, sagt Ellerbrock, hätten sich um den Rechenkönig gerissen. Sie hätten ihn sich nicht ins Heft stempeln lassen, sondern auf den Handrücken, den sie sich dann drei Tage lang nicht gewaschen hätten. Für Ellerbrock, den Unternehmer und den Lehrer, ein durchschlagender Erfolg. Und für den Lehrerstempel der Beginn einer großen Karriere, die Ellerbrock lange Zeit selbst ein bisschen unheimlich war.
Angelika Westhagen, Konrektorin an der Grundschule Krailling bei München, hat sich ein durchaus anspruchsvolles Belohnungssystem für ihre Erst- und Zweitklässler ausgedacht. Für zehn lachende Smileys im Schulheft gibt es einen Stempel im Stempelheft. Und für zehn Stempel im Stempelheft gibt es eine Belohnung, eine Sammelkarte zum Beispiel, auf der "Shaun, das Schaf" abgebildet ist. Für die Kinder, sagt Westhagen, sind die Stempel "einfach unglaublich motivierend".