Schule:Die Mint-Misere könnte sich verschärfen

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Aussterbende Art? Ein Mathelehrer in Esslingen. (Foto: dpa)
  • Laut einer Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft fehlen in Deutschland Lehrer in den Mint-Fächern.
  • Demnach wird sich das Problem in den kommenden Jahren sogar noch verschlimmern.
  • Auch die Zahl der männlichen Anwärter aufs Grundschullehramt ist gesunken.

Von Paul Munzinger, München

Man darf sich den Lehrermangel in Deutschland nicht wie einen Teppich vorstellen, der sich gleichmäßig über das Land gelegt hat. Je nach Region, je nach Schulform, je nach Fach ist die Lage sehr unterschiedlich. Neben den großen Engpässen etwa in Nordrhein-Westfalen oder Sachsen sowie an Grundschulen bildet der Mangel an Pädagogen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern dabei eines der Hauptprobleme - und dieses Problem wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen.

Zu diesem Ergebnis kommt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der an diesem Montag eine Halbzeitbilanz seines auf zehn Jahre angelegten Hochschulbildungsreports vorlegt. Die Zahl der Studienanfänger für das Lehramt in den sogenannten Mint-Fächern ist demnach zwischen 2010 und 2015 kontinuierlich gesunken: von 29 auf derzeit 25,2 Prozent aller Lehramtsstudenten. Aus Sicht des Stifterverbands eine "besorgniserregende" Entwicklung.

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Die Zahlen beziehen sich auf Studienanfänger, an den Schulen werde die Entwicklung daher in vier bis fünf Jahren spürbar sein, sagt Mathias Winde, Leiter des Programmbereichs Hochschulpolitik und -organisation im Stifterverband. Das Problem sei nicht zuletzt der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland geschuldet: "Viele junge Leute, die Interesse an diesen Fächern haben, zieht es in die Wirtschaft - und nicht an die Schulen", sagt Winde. Es gelte daher, Maßnahmen zu ergreifen, um den guten Nachwuchs auch für den Schulbetrieb zu gewinnen. Der Stifterverband schlägt vor, Stipendien einzurichten und den didaktischen Anteil im Mint-Lehramtsstudium zu erhöhen, um die Studenten gezielter auf den Beruf vorzubereiten.

Ein Problem ist der Mangel an Mint-Lehrern aus Sicht des Stifterverbands insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung an den Schulen. Zwar werde den Schülern die Anwendung digitaler Technik immer besser vermittelt - etwa der Umgang mit sozialen Medien wie Facebook oder Twitter -, doch reiche dies nicht aus. Vielmehr gehe es auch darum, so heißt es in der Studie, "Schülern die Werkzeuge an die Hand zu geben, die digitale Welt selbständig zu gestalten". Das heißt konkret: Programmieren als Unterrichtsfach. In anderen europäischen Ländern sei dies bereits verpflichtend, in Deutschland nur in einigen Bundesländern, etwa in Bayern und Sachsen. Damit Deutschland nicht abgehängt werde, brauche es mehr Informatikunterricht - und damit auch: mehr Lehrer.

Gesunken ist zwischen 2010 und 2015 nicht nur die Zahl der Mint-Studienanfänger, sondern auch die der männlichen Anwärter aufs Grundschullehramt. Bewegt sich die Zahl der männlichen Studienanfänger ohnehin auf niedrigem Niveau, fiel sie noch einmal von 16,4 auf 15,5 Prozent. Die Zielmarke, die der Stifterverband für das Jahr 2020 angegeben hat, liegt bei 22 Prozent - auch das wäre nicht einmal ein Viertel. Um die Männerquote zu erhöhen, schlägt der Verband eine bessere Bezahlung für Grundschullehrer vor - mit Ausnahme von Berlin sind sie in allen Bundesländern schlechter gestellt als ihre Kollegen an anderen Schulformen. Doch die Bezahlung allein reiche nicht aus, "um den Schalter umzulegen", sagt Winde. Auch kulturelle Gründe spielten eine Rolle, wie etwa die mangelnde Anerkennung, die der Beruf häufig erfahre.

Ein Missverhältnis zwischen schulischer und gesellschaftlicher Wirklichkeit sieht die Untersuchung auch in einem anderen Bereich: Obwohl jeder dritte Schüler in Deutschland ausländische Wurzeln hat, liegt die Quote der sogenannten Bildungsinländer unter den Studienanfängern im Lehramt nur bei 2,7 Prozent - immerhin: Tendenz leicht steigend. Mit Bildungsinländern sind Menschen gemeint, die einen ausländischen Pass und einen deutschen Schulabschluss haben. Die Zahl der Lehrer, die einen deutschen Pass und Migrationshintergrund haben, liegt anderen Studien zufolge nicht viel höher: bei fünf bis sechs Prozent.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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