Lehrer:Vom Schönling bis zur Fast-Pensionärin

Streng oder locker, organisiert oder verplant: In der Schule trifft man auf die unterschiedlichsten Lehrertypen. Zum Weltlehrertag an diesem Samstag stellen wir die wichtigsten vor.

Von Larissa Holzki und Matthias Kohlmaier; Illustrationen von Jessy Asmus

Die Muster-Pädagogin

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(Foto: N/A)

Das macht sie aus: Die Muster-Pädagogin hat ihr Studium mit Bestnoten bestanden und so viele Kurse wie möglich im Bereich Didaktik belegt. Deshalb dürfen sich die Schüler in ihrem Unterricht Bälle zuwerfen ("Nicht abschmeißen, Ole!") und selbst bestimmen, wer als Nächstes sprechen soll. Dabei führt sie ihre eigene kleine Sozialstudie durch: Wer spielt wem den Ball zu, wer achtet darauf, dass auch die leisen Kinder mal etwas sagen und wer traut sich nicht, quer durch den Raum zu werfen. Besonders schüchterne Schülerinnen ermutigt sie nach der Stunde, mehr dieser wunderbar durchdachten und feingeistigen Gedanken in den Unterricht einzubringen - davon könnten viele raufboldige Mitschüler noch etwas lernen! Das tut sie, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: Nach dem Schema Vorbild und Nachahmung setzt sich die Muster-Pädagogin selbst ganz ruhig auf ihren Stuhl, faltet die Hände im Schoß und wartet, bis alle Schüler es ihr nachtun. Das sagt sie beim Elterngespräch "Haben Sie Geduld mit Ihrem Kind, es steckt gerade in einer schwierigen Phase und ist mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Weltreligionen." So laufen Prüfungen bei ihr ab: Die Weltanschauung der Schüler kann natürlich nicht in Noten bewertet werden. Für ein "Gut" reicht daher die regelmäßige Teilnahme am Unterricht und eine irgendwie geartete (oder suggerierte) inhaltliche Auseinandersetzung mit der Klausurfrage. Mit einem frei vorgetragenen Referat zu einem selbst gewählten Thema verdienen sich die Schüler ein "Sehr gut".

Der Kumpel

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht ihn aus: Er ist der Freund aller Schüler - zumindest derjenigen, die in Highscore-Tabellen (Computerspiele) regelmäßig besser abschneiden als im Notenspiegel (Französischklausur) oder die sich beim Zeichnen lieber von Dagi Bee (Schminktipps) inspirieren lassen als von Albrecht Dürer (Proportionenlehre). Der Kumpeltyp steht immer auf Seiten der Schüler, hat Verständnis für Ausfallerscheinungen bei Liebeskummer und unangekündigten Klassenarbeiten und drückt auch mal beide Augen zu, wenn er im Treppenhaus einen Schüler beim Spicken erwischt ("Den Zettel gibst du mal mir, dann findet ihn auch keiner"). Er gibt mit Vorliebe Computerkurse, leitet AGs (Schulband, Volleyball, Technik) und wird häufig zum Vertrauenslehrer gewählt. Das tut er, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: "Dunja und Carolin, entweder seid ihr jetzt leise oder ihr erzählt allen, was an Alex' neuer Jeans so aufregend ist, dass ihr es nicht erst in der Pause bequatschen wollt." Das sagt er beim Elterngespräch: "Die Anwendung von Excel halte ich für überschätzt. Bis Ihre Tochter den Schulabschluss hat, gibt es eh wieder ganz neue Programme. Mir ist wichtiger, dass die Schüler sich trauen, am Computer auch mal was auszuprobieren und Spaß am Designen entwickeln." So laufen Prüfungen bei ihm ab: Natürlich in Gruppenarbeit. Mit Kreativität und einer persönliche Note können Fehler beim Programmieren und den Formalitäten ausgeglichen werden.

Der Schönling

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht ihn aus: Das Spannreck ist seine Bühne - die einzige, die ihm geblieben ist. Denn zu einer Karriere als Model oder Kunstturner hat es leider nicht gereicht. Beides würde der Schönling so aber nicht darstellen: Lehrer sein ist seine Passion. Nirgendwo sonst wären ihm schließlich die Ahhhs und Ohhs für seine Auf- und Umschwünge so sicher wie bei den Mädchen der zehnten Klasse. Die Jungen, freilich, hassen den gut riechenden, durchtrainierten und leider vollkommen unverpickelten Aufmerksamkeitsheischer. Dafür weckt er ihren Ehrgeiz: Sollen die Mitschülerinnen ihnen ruhig seinetwegen beim Fußballspielen zusehen - wer den Schönling ausdribbelt, hat vielleicht selbst noch eine Chance. Das tut er, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: "Die Zeit, die wir jetzt warten müssen, ziehe ich euch vom Fußballspielen ab, Ben und Luca!" Das sagt er beim Elterngespräch: "Natürlich erwarte ich nicht, dass Ihr Sohn die gleichen Leistungen erbringt wie ein studierter Sportler. Die vorgeturnte Kür war lediglich als Ansporn gedacht - ohne Hilfestellung wäre es unverantwortlich, Kinder solche Übungen turnen zu lassen." (Das denkt er sich dabei: "Irgendwie musste ich dem vorlauten Prollo ja das Maul stopfen.") So laufen Prüfungen bei ihm ab: Mädchen, die sich Mühe geben (das machen bei ihm ohnehin fast alle) bekommen beim Gerätturnen mit Hilfestellung eine Zwei. Die Jungen müssen die Übung alleine durchführen, bekommen die Zwei dann aus Gnädigkeit und nur dann, wenn sie nicht über ihre blauen Flecken jammern.

Die Diktatorin

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht sie aus: Sie ist fast im gleichen Alter wie die Fast-Pensionärin, hat aber aus pädagogischer Perspektive schon lange eine andere Ausfahrt genommen als ihre freundliche Kollegin. Der Scheitel ist streng gezogen, die Bluse perfekt gebügelt, und der Bleistiftrock in Größe 34 passt wie angegossen. Das ist kein Zufall, denn die Diktatorin ist hart gegen sich selbst - nicht nur, was ihre Figur angeht, sondern auch bei der Arbeit - und erwartet das auch von ihren Schülern. Kuschelpädagogik ist für sie ein linker Kampfbegriff und wenn ihr noch einer von diesen überbesorgten Vätern in der Sprechstunde unterkommt, dann ... Das tut sie, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: Nichts, denn in ihren Klassen herrscht Totenstille. Man hört höchstens ein leises Zähneklappern, während die Diktatorin überlegt, wer gleich an der Tafel die binomischen Formeln erläutern muss. Das sagt sie beim Elterngespräch: "Ganz ehrlich, es ist nicht meine Aufgabe, die Kinder in Watte zu packen. Wir bereiten hier auf das Leben vor, und später an der Universität und im Berufsleben wird Kevin auch nichts geschenkt bekommen. Von meiner Seite gibt es zu der Fünf im Zwischenzeugnis ansonsten nichts zu sagen." So laufen Prüfungen bei ihr ab: Wer nach ihrer Anweisung "Die Zeit ist um" auch nur noch eine einzige Ziffer zu Papier bringt, bekommt sofort eine Sechs wegen Unterschleifs. Wozu haben wir denn Regeln, bitteschön!?

Die Verplante

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht sie aus: Sie ist in ihrem Fach wirklich gut, aber manchmal wundern sich ihre Schüler, dass sie ihre eigene Lehramtsprüfung nicht verpasst hat. Denn die Verplante verschusselt mal die Hälfte der abgegebenen Hausaufgabenblätter und muss sich ein anderes Mal bei den Schülern nach dem von ihr eigens festgelegten Klausurtermin erkundigen. Der Satz "Wo waren wir letzte Stunde stehen geblieben?", ist bei ihr eine ernst gemeinte Frage. Dafür erklärt sie mit einer schier unendlichen Geduld zum 127. Mal, wie die If-clauses zu bilden sind. Einige Schüler haben bei der Vorbereitung auf das Abitur manchmal Angst, dass sie einen Teil des Prüfungsstoffes vergessen könnte. Das tut sie, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: "Sorryyyy, I'm late. Who can help me quickly with the overhead projector?" Das sagt sie beim Elterngespräch: "Wie? Ihre Tochter hat die Klausur nicht mitgeschrieben, für die ich ihr eine Note gegeben habe? Da muss ich in der Excel-Tabelle verrutscht sein, das ist mir jetzt aber fürchterlich peinlich. Natürlich bewerte ich nur tatsächlich erbrachte Leistungen meiner Schüler." So laufen Prüfungen bei ihr ab: Nach dem Austeilen der Arbeiten fliegen die ersten Hände nach oben. "Den Fall Nr. 3 in Aufgabe 2 haben wir noch gar nicht besprochen, Mrs. X", meldet sich ein fleißiger Schüler. "Zeig mal her - was war das noch mal? Ach, na ja, dann setzt ihr da alle Past Perfect ein, warum das so sein muss, erkläre ich nächste Stunde."

Der Unsichere

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht ihn aus: Eigentlich wollte er ja in die Forschung gehen, im Regenwald neue Organismen entdecken, vielleicht auch mal ein winziges Insekt, das später nach ihm benannt würde. Aber, das hat er bei ein paar Praktika schnell gemerkt, in der Wissenschaft braucht man Ellenbogen und Durchsetzungsvermögen. Da ihm beides fehlt, er die Flora und Fauna aber dennoch liebt, ist er flugs ins Lehramtsstudium gewechselt. Dass ein bisschen Selbstvertrauen auch vor einer Klasse voller Halbstarker ganz nützlich sein könnte, hat er dabei leider nicht bedacht. Das tut er, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: In der Schülerschaft ist längst Konsens, dass man während seiner Stunden weitgehend tun und lassen kann, was man möchte. Um diese Freiheit nicht aufs Spiel zu setzen - was der Schulleiter nicht weiß, ... - planen die meisten Schüler still ihre Wochenendaktivitäten oder schreiben noch schnell die Mathehausaufgabe ab. Ihrem Lehrer ist das gar nicht unrecht, so kann er für ein oder zwei Begeisterte pro Klasse und natürlich sich selbst in Ruhe das Fortpflanzungsverhalten des Australischen Zwerggleitbeutlers durchdeklinieren. Das sagt er beim Elterngespräch: "Yasmin ist ein sehr nettes Mädchen. An Biologie hat sie, glaube ich, aber kein großes Interesse. Das ist aber nicht schlimm." So laufen Prüfungen bei ihm ab: In Gruppenarbeit. Er bittet die Schüler nur darum, nicht allesamt die Fragen im gleichen Wortlaut zu beantworten, weil er doch sonst mit seinem Fachbetreuer Ärger kriegen könnte.

Die Fast-Pensionärin

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Das macht sie aus: Nach 39 Jahren im Schuldienst hat sie alles gesehen, jeden Schülerstreich erlebt und eine Antwort auf jede Frechheit parat. Hinter ihrem beigen Strickjäcken zu kariertem Tweetrock und bequemen Halbschuhen verbirgt sich, je nach Bedarf: verständnisvolle Omi, gestrenge Gouvernante oder kluge Dame von Welt. Das wissen und schätzen ihre Schüler, die allermeisten zumindest. Auf die Meinung der anderen gibt sie nicht viel, man braucht ja nicht überall beliebt zu sein. Und bis zur Pensionierung sind es auch bloß noch sieben Monate. Das tut sie, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: In den sehr seltenen Fällen, in denen ihre Klassen tatsächlich mal etwas "mitteilungsbedürftig" (das Wort verwendet sie gern) sind, löst sie das durch ihre natürliche Autorität: Sie verschränkt die Arme, schiebt die Brille etwas hinunter und lugt bedrohlich-schweigend über deren Rand - schon ist Ruhe! Das sagt sie beim Elterngespräch: "Niklas ist ein guter Junge. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der etwas schwächeren Leistungen zuletzt. Das verwächst sich." So laufen Prüfungen bei ihr ab: Ruhig und mit kleinen Schokoladentäfelchen, die sie vor Klausurbeginn auf jedem Tisch im Klassenzimmer verteilt.

Der Kinderlose

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Das macht ihn aus: Er interessiert sich in allererster Linie für sein Fach, als Sozialkundelehrer könnte er den ganzen Tag leidenschaftlich über Politik diskutieren - wären da nur nicht diese Schüler. Mit denen kann er relativ wenig anfangen. Für eigenen Nachwuchs haben ihm Zeit, Motivation und wohl auch die passende Partnerin gefehlt, so dass er außerhalb des Klassenzimmers recht wenig Kinderkontakt hat und hatte. Nachdem man aber in der Erwachsenenbildung weniger verdient, ist er dennoch an einem Gymnasium gelandet. Aus pädagogischer Sicht: Nicht unbedingt zum Wohl der Schüler. Das tut er, um die Klasse zum Schweigen zu bringen: "Nun seien Sie endlich still und konzentrieren sich auf unser hochinteressantes Wahlsystem. Sobald Sie in einigen Jahren selbst wählen dürfen, werden Sie mir für die folgenden Informationen dankbar sein." (Ja, er siezt wirklich alle seine Schüler.) Das sagt er beim Elterngespräch: "Oft mangelt es Martin an der gebotenen Ernsthaftigkeit, ich finde, die könnte man von einem Zwölfjährigen durchaus erwarten." So laufen Prüfungen bei ihm ab: Mit der "gebotenen Ernsthaftigkeit". Wer die nicht mitbringt, hat das Abitur nicht verdient.

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