Die Namen klingen wie eine einzelne Vorlesung, wie eine Abschlussarbeit oder ein Weiterbildungskurs: Gesundheitskommunikation, Energieeffizientes Gebäudedesign, Nachhaltiges Produktmanagement oder auch Mensch-Computer-Interaktion. In Wahrheit sind das vollwertige Studiengänge mit Bachelor-Abschluss.
Neben Chemie, BWL oder Geschichte erwartet Abiturienten heute ein Panoptikum des Expertentums. Ein Blick in den Online-Kompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in dem alle Angebote bundesweit gelistet sind, zeigt 18 000 Studiengänge - so viele wie nie. Und pro Jahr kommen Hunderte neue dazu. Natürlich: Nachfrage gibt es wohl, sonst hätte man sie längst wieder eingestellt. Aber sind all diese Nischen wirklich nötig? Oder sind sie am Ende Nischen ohne Zukunft?
Uni-Quiz:Was macht bloß ein Lusitanist?
Was studiert ein Assyrologe? Und womit beschäftigt sich ein Onomastiker? An der Uni gibt es viel Exotisches: Kennen Sie sich aus in den Orchideenfächern?
Erwünscht sind nur "exemplarische Vertiefungen"
Diese Sorge treibt den Wissenschaftsrat um. Das Beratergremium der Politik präsentiert an diesem Montag ein Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Man sehe die hohe Spezialisierung "sehr kritisch". Hochschulen müssten sich im Bachelor "auf fachlich breit angelegte Studiengänge beschränken, die einen guten Überblick über die gesamte Disziplin geben".
Erwünscht seien nur "exemplarische Vertiefungen". Wenn aber ein Studiengang "ausschließlich auf spezifische berufliche Tätigkeiten oder sogar konkrete Arbeitsplätze hin ausgerichtet" sei, könne man nicht mehr von Hochschulbildung sprechen. Wichtig sei, dass der Bachelor Anschluss sowohl in einen Job als auch ins Masterstudium biete. Also: Mehr Studium generale statt Studium speziale.
Studium in Greifswald:Kampf um ein Alleinstellungsmerkmal
Viele Orchideenfächer haben es an Unis schwer. Oft welken sie jahrelang, um dann einzugehen. Doch in Greifswald regt sich jetzt Widerstand - die Studienrichtung Ukrainistik ist in Gefahr.
Kürzlich, zum Semesterstart, warnte bereits Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in der Welt vor "Wildwuchs" bei den Fächern. "Das Studium liefert das Rüstzeug für ein ganzes Leben. Studiengänge müssen ein breites Wissensspektrum vermitteln." Das ist der Aufruf an die Hochschulen: Lichtet den Dschungel!
Was einfach klingt, dürfte heikel werden; es gibt drei Ursachen, die zum Chaos geführt haben: Da ist der Wettbewerb unter den Hochschulen, um Geld, Studenten und Aufmerksamkeit. Da will man sich gern abheben mit seinem Angebot. Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte eines Jahrgangs will heute studieren, oft mit Berufszielen, die mit Wissenschaft wenig zu tun haben, eine Art Lehre plus. Hochschulen bedienen hier die Nachfrage.
Die dritte Ursache ist, wie so oft, die Bologna-Reform. Ein früherer HRK-Funktionär, der den Trend über die Jahre beobachtet hat, beschreibt das so: "Jeder Professor hat seinen fachlichen Garten, den er mit Eifer bestellt. Als er in sechs Semestern Bachelor nur noch ein paar Früchte des Gartens einbringen konnte, wehrte er sich - und so wurden oft aus einem Fach viele Detail-Studiengänge gemacht." Ein Professor bestätigt: Wer einen Studiengang zu seinem Lieblingsgebiet haben wolle und Druck mache, der habe meist Erfolg.
Typologie der Erstsemester:Karriere oder Katerfrühstück?
Kaum hat die Uni begonnen, ist klar, wer am meisten Party macht, wer noch bei Mutti wohnt und wer bald Professor wird. Eine Campus-Typologie.
"Für Studieninteressierte wie für Arbeitgeber muss klar erkennbar sein, welches Profil in einem Studiengang erworben werden kann", schreibt der Wissenschaftsrat. Was ein Bachelor in "Humanities, the Arts, and Social Thought" lernt, muss ein Personalchef oder anderer Professor wohl erst googlen. Auch an den vielen Studienabbrechern - jeder Dritte im Bachelor - könnte das Chaos mitschuldig sein. Weil Bewerbern oft nicht klar wird, was in ihrem Studium steckt.