Grundgesetzänderung zur Hochschulfinanzierung:Zwei Wörter für die Forschung

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Wissenschaft ist in der föderalen Bundesrepublik vorrangig Ländersache. Bei den Hochschulen will der Bund künftig stärker mitgestalten - und dafür zahlen. Doch die nötige Grundgesetzänderung ist kein Selbstläufer.

Christopher Schrader und Roland Preuß

Zwei Wörter könnten bewirken, dass der entscheidende Unterschied zwischen Kiel und Bremen bestehen bleibt. Beide Städte besitzen hoch angesehene Institute für Meeresforschung, und in beiden Fällen hat die Landesregierung Schwierigkeiten, den Forschern genügend Geld zu überweisen. Doch in Kiel hat die Universität ihr Institut für Meeresforschung an ein Helmholtz-Zentrum abgegeben, das fast vollständig der Bund finanziert. Nach dem Willen von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) soll das Marum-Zentrum in Bremen hingegen in der Hochschule bleiben - und trotzdem vom Bund gefördert werden. Aber das geht nur, wenn im Herbst die von ihr geforderte Grundgesetzänderung von zwei Wörtern beschlossen wird.

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Das Bundeskabinett brachte diese Ergänzung der Verfassung am Mittwoch in Berlin auf den Weg. In Artikel 91b sollen zwei Wörter eingefügt werden, die es dem Bund in Zukunft erlauben, "Einrichtungen und Vorhaben" und nicht nur "Vorhaben" der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen zu fördern. Damit könnte der Bund Hochschulinstitute dauerhaft finanzieren und zudem Universitäten und reine Forschungseinrichtungen zusammenführen, wie dies bereits beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) praktiziert wird. Bisher darf der Bund nur zeitlich begrenzte Projekte fördern. "Wir ermöglichen die weitreichendste Zusammenarbeit, die es je gab", sagte Schavan.

Die Änderung solle die Hochschulen stärken, sagte Schavan. Allerdings werde der Bund den Ländern nicht die Grundfinanzierung abnehmen, sondern Einrichtungen "von überregionaler Bedeutung fördern und die Internationalisierung voranbringen". Mit dem gemeinsamen Engagement von Bund und Ländern möchte die Ministerin auch die Erfolge befristeter Programme wie der 2017 auslaufenden Exzellenz-Initiative für herausragende Forschungsstandorte absichern: "Was wir damit erreicht haben, darf nicht unmittelbar danach schon wieder gefährdet werden."

Die Grundgesetzänderung wird nun zunächst vom Bundesrat beraten, der Ende September darüber beschließen soll. Danach beschäftigt sich der Bundestag damit. In beiden Parlamentskammern braucht der Vorschlag eine Zweidrittelmehrheit, die Regierungskoalition muss sich also mit der Opposition einigen. SPD, Grüne und Linke haben jedoch bereits angekündigt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Sie fordern eine weitergehende Lockerung des sogenannten Kooperationsverbotes. "Niemand sagt, die Änderung in Artikel 91b sei falsch, aber viele wollen mehr", räumt Schavan ein.

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SPD und Grünen geht es vor allem darum, dem Bund mehr Einfluss auf die Schulen zu geben. Durch die Föderalismusreform von 2006 waren die Befugnisse des Bundes in der Bildungspolitik strickt begrenzt worden, eine Zusammenarbeit ist seither weitgehend verboten - und damit auch Finanzhilfen des Bundes. Das wird als Kooperationsverbot bezeichnet. Diesem Kompromiss hatte damals auch die SPD zugestimmt. Heute spricht der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, von dem "zentralen Fehler" dieser Verfassungsreform. Auch in anderen Parteien bis hinein in die CDU gibt es zahlreiche Kritiker der bestehenden Regelung. Anhänger des Kooperationsverbotes wie die CSU in Bayern fürchten dagegen, dass der Bund durch eine Lockerung seine Macht weiter ausdehnen und damit eines der letzten Gestaltungsfelder der Länder besetzen könnte. Schavan nimmt durch ihre Minireform auf diese Positionen in der Union Rücksicht.

Die SPD hingegen will eine Zusammenarbeit auch bei Schulen und frühkindlicher Bildung ermöglichen. Das größte Problem liege nicht in der Förderung von Spitzenforschung, wie sie Schavan ermöglichen wolle, sagt Rossmann. Es gehe vielmehr um eine bessere Unterstützung der Hochschulen insgesamt, und um die Herausforderungen an den Schulen. Nach den Plänen Schavans müssten die Länder den kostspieligen Ausbau der Ganztagsbetreuung, die Eingliederung behinderter Schüler in reguläre Klassen und eine bessere Chancengleichheit für Kinder aus armen Elternhäusern weiterhin alleine betreiben. Dies jedoch sei angesichts der Schuldenbremse, welche den finanziellen Spielraum der Länder einschränkt, immer schwieriger zu leisten. Die SPD schlägt einen Bildungsfinanzartikel im Grundgesetz vor, der es Bund und Ländern erlauben würde, gemeinsame Aufgaben zu bestimmen und gemeinsam zu finanzieren. Die Hoheit der Länder soll dadurch gewahrt werden, dass solchen Vorhaben alle Länder zustimmen müssten.

Obwohl auch Schavans Reform aus Sicht von SPD und Grünen ein Fortschritt wäre, wollen sie diese ablehnen. Nach Ansicht von Rossmann würde sie die Fehler der Föderalismusreform zementieren. Der Hochschulexperte der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, bemängelte am Mittwoch, Schavan habe noch nicht einmal das Gespräch mit seiner Partei gesucht. Schavan fordert dagegen, "die Hochschulen und die Studierenden jetzt nicht im Regen stehen zu lassen", sondern die vorgeschlagene Änderung zu beschließen. Am notwendigen Geld würde es nicht scheitern. Dies solle "im nächsten Koalitionsvertrag", also bei der Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2013, bereitgestellt werden.

© SZ vom 31.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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