Gau-Odernheim (dpa/lrs) - Weniger Angst vor Noten, mehr Freude am Lernen - mit dem Projekt der „Schule der Zukunft“ will die Schullandschaft in Rheinland-Pfalz neue Lernformen erkunden, die vor Ort jeweils unterschiedlich entwickelt werden sollen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bildungsministerin Stefanie Hubig (beide SPD) stellten am Dienstag in Gau-Odernheim in Rheinhessen die ersten 45 „Schulen der Zukunft“ vor. In den kommenden Schuljahren sollen weitere dazukommen.
„Wir wollen nicht nur Deutsch und Mathe lernen - wir wollen mehr vom echten Leben erfahren“, sagte Henrik, Schüler der dritten Klasse an der Grundschule Gau-Odernheim. Andere Kinder stimmten mit ein: „Da brauchen wir keine alten Klassenräume mehr - und auch keine Noten.“ Die Leiterin der Grundschule Gau-Odernheim, Susanne Rammenzweig-Fendel, will genau zuhören, wenn Schülerinnen und Schüler über ihre Vorstellungen vom Lernen sprechen. „Wir starten direkt im September“, sagte sie. Als Beispiele für neues Lernen nannte sie etwa Unterricht in einem neu zu gestaltenden Wald und Gruppenbesuche im Altenpflegeheim.
Neun Grundschulen, acht Realschulen plus, jeweils elf Integrierte Gesamtschulen und Gymnasien sowie fünf Berufsschulen und eine Förderschule sind ab kommendem Schuljahr dabei. Diese seien der Kern des neuen Schulentwicklungsprozesses, sagte Dreyer. „Sie können anderen Schulen zeigen, was „Schule der Zukunft“ sein kann.
„Die „Schule der Zukunft“ lehrt und lebt Demokratie, sagte Dreyer. „Sie ist auch geprägt von neuen Arbeitsformen und bildet bestenfalls auch ein Zentrum der Strahlkraft in den sozialen Raum.“ Einen derartigen Schulentwicklungsprozess mit allen Akteuren der Schulgemeinschaft gebe es in keinem anderen Bundesland.
„Wir wollen, dass die Schulen sich auf den Weg machen, damit die Kinder und Jugendlichen die großen Herausforderungen, die auf sie warten, gut bewältigen können“, sagte Hubig. Jede Schule solle ihr eigenes Tempo entwickeln. Für die Veränderungsprozesse bekommen sie einen „Coach“ als Begleiterin oder Begleiter.
Kritik kam am Dienstag von der Opposition. Die CDU-Fraktion sprach von „ideologischer Umgestaltung“ und forderte, „den individuellen Erfolg der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu rücken“. Fraktionschef Christian Baldauf sagte: „Eine Reform, die meint, der Weg sei das Ziel, wird den großen Herausforderungen der Schulpolitik nicht gerecht.“
Zu Befürchtungen, dass in der „Schule der Zukunft“ nicht genug gelernt werden könnte, sagte Hubig: „Wir haben bundesweit Bildungsstandards, die werden auch weiterhin gelten.“ Bei Leistungsnachweisen in Form von Noten oder Klassenarbeiten gebe es aber viel Spielraum, den die beteiligten Schulen jetzt ausloten könnten. Die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen sei dann besonders erfolgreich, „wenn es auch Spaß macht zu lernen“.
Die Landesregierung hat für das Projekt der „Schule der Zukunft“ in diesem Jahr 7,5 Millionen Euro bereitgestellt. Ab 2023 sollen es zehn Millionen im Jahr sein. Für den 30. September bereitet das Bildungsministerium eine große Vernetzungsveranstaltung in Mainz vor.
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