Zöllner im Dreiländereck:Der Bodensee soll sauber bleiben

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Wolfgang Simonsen (am Steuer) und Peter Weidlich patrouillieren auf dem Bodensee. (Foto: Johannes Simon)

Tatort Bodensee: An der Grenze zur Schweiz finden die Zöllner um Wolfgang Simonsen immer wieder teure Uhren und schicke Boote, die die Besitzer an der Steuer vorbei ins Land bringen wollen. Die Fahnder haben noch andere Aufgaben - lebensgefährliche.

Von Florian Fuchs

Ein grausiger Tag war das, es ist erst ein paar Wochen her. Plötzlich schlug das Wetter um am Bodensee, es wurde düster, bald war keine Handbreit mehr vor den Augen zu sehen. Wahre Wasserfälle ergossen sich vom Himmel. "Du hast gemeint, die Welt geht unter", erinnert sich Wolfgang Simonsen. Eigentlich ist das ein Wetter, um in den Hafen zu fahren. Für die Mannschaft von Zöllner Simonsen war der Sturm eher ein Auftrag, auf dem Wasser zu bleiben. "Wir haben dann auf dem Radar auch schnell ein paar Punkte entdeckt und sind in die Richtung gefahren." Die Punkte waren Schiffe in Seenot, ihre Bootsführer wussten sich nicht mehr zu helfen. "Wären alle auf Grund gelaufen", sagt Simonsen. Also nahm er die Boote ins Schlepptau und lotste sie in einen Hafen. Eine halbe Stunde später war es wieder windstill. "Perfekter Sonnenschein", sagt Simonsen und lächelt.

Am Bodensee kann es schnell gehen mit dem Wetter, die Leute glauben das ja immer gar nicht. "Soll keiner meinen, das sei hier nur eine Pfütze", sagt Simonsen, und der muss es wissen: Der 63-Jährige stammt aus Kiel, er ist größere Gewässer gewohnt. Gerade die Episode mit den in Seenot geratenen Booten zeigt, dass die "Pfütze" richtig gefährlich werden kann. So gefährlich, dass die Besatzungen der beiden deutschen Zollboote auf dem Bodensee ihre eigentliche Arbeit im Ernstfall kurz vernachlässigen und zu Lebensrettern werden.

Zöllner und Seenotretter

Eigentlich sind die Zöllner mit ihrem Chef Simonsen ja auf dem Wasser unterwegs, um den Schmuggel von Drogen, Waffen und Geld zu unterbinden. Um aufzupassen, dass die Deutschen bei der Einfuhr von Waren die Freimengen des Zolls beachten. Und um Steuerhinterziehungen zu ahnden, etwa wenn ein Segler aus der Bundesrepublik sich ein Boot in der Schweiz kauft, es hier aber nicht ordentlich anmeldet und sich so die 19 Prozent Mehrwertsteuer sparen will. Kurz zusammengefasst kann man es so ausdrücken wie Simonsen: "Wir sind hier, um zu schauen, dass der Bodensee sauber bleibt." Den Zöllnern gelingt das ganz gut, auch weil der Schmuggel aus der Schweiz im Grunde kein großes Problem mehr ist.

Im Hintergrund werden der bayerische Löwe und der Leuchtturm von Lindau immer kleiner, als Simonsen die "Buchhorn" aus dem Hafen steuert. Zusammen mit dem 22 Tonnen schweren "Graf Zeppelin" ist die "Buchhorn" eines von zwei Zollbooten des zehnköpfigen Teams von Simonsen, das in bayerischem und baden-württembergischem Gebiet patrouilliert.

"Wir wollen abschrecken"

Der Elftonner ist sogar das schnellste Schiff auf dem See: Mit seinem Jet-Antrieb schafft es mehr als Tempo 70, die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf dem Bodensee beträgt 40 Kilometer pro Stunde. Richtig ausfahren mussten die Zöllner die "Buchhorn" bei einem Einsatz trotzdem nie. "Eine Verfolgungsjagd hatte ich noch nicht", sagt Limonen.

Man darf sich das hier nicht vorstellen wie bei den Cops von Miami Vice, die mit ihren Sportbooten Verbrecher jagen. Das Geschäft der Zöllner vom Bodensee besteht vor allem aus kleineren Kontrollen und aus viel Prävention. "Die Leute sollen uns sehen. Das soll sie abschrecken, irgendwelche Dummheiten wie Steuerhinterziehung zu machen", sagt Simonsen. In Spitzenzeiten kurven 30.000 Boote auf dem Bodensee herum, die können die Zöllner ohnehin nicht alle im Auge behalten.

Also versuchen sie, Präsenz zu zeigen und stichprobenartig für Ordnung zu sorgen. Das passiert zum einen bei Kontrollen von Fahrgastschiffen: Die Zöllner warten an den Anlegepunkten und schauen, ob die Fährgäste nicht vielleicht zufällig eine teure Schweizer Uhr am Handgelenk tragen. Wer bei seinen Einkäufen in einem Nicht-EU-Staat wie der Schweiz den Warenwert von 300 Euro überschreitet, muss diese anmelden und verzollen.

Spannender sind die Kontrollen der zahlreichen Privatboote, auch rechtlich: Die Zöllner können Schiffe auf See anhalten und sich für einen kurzen Personencheck in einem Kescher die Papiere herüber reichen lassen. Sie können auf das Privatboot steigen und es durchsuchen. Nur wenn sie dann ein paar Kilo Kaffee oder eine Menge Flaschen Alkohol finden, die in der Schweiz gekauft wurden und über der Freimenge des Zoll liegen, dann können sie eigentlich nichts machen. "Einschreiten können wir bei so etwas erst, wenn das Boot tatsächlich am deutschen Ufer vor Anker geht", sagt Simonsen. Nur für diesen Fall müssen die Bootsführer ihre Waren anmelden und können zur Rechenschaft gezogen werden. "Wenn der drei Monate fünf Meter vom Ufer entlang schippert und fröhlich seinen Kaffee trinkt, kann ich nichts gegen ihn machen", sagt Simonsen.

Sie haben das einmal durchgezogen und viele Boote auf offener See anhalten lassen, um sie zu kontrollieren. Sie haben die Boote auf den Kopf gestellt und durchsucht, aber sie haben keine Drogen oder Waffen oder auch Schwarzgeld gefunden. "So etwas ist ganz selten", sagt Simonsen. "Wir reden ja hier über die Schweiz, und nicht über die Grenze zu einem südamerikanischen Land."

Manchmal muss Zöllner Wolfgang Simonsen auch als Seenotretter einspringen. (Foto: Johannes Simon)

Viele wollen Steuern sparen - und zahlen drauf

Geld wird eher auf dem Landweg, im Auto oder Zug, geschmuggelt. Vor zehn Jahren waren die Drogengesetze und auch das Waffenrecht in der Schweiz noch laxer. Heute hat sich das gewandelt, deshalb gibt es kaum noch Aufgriffe. Simonsen und seine Leute haben vor kurzem eine Plastiktüte voll mit Marihuana aus den Wellen gefischt. "Da hat wohl einer unser Zollboot gesehen und vor Angst gleich alles über Bord geworfen."

Die Prävention, die den Zöllnern so wichtig ist, in diesem Fall hat sie funktioniert. Bei der Steuerhinterziehung mit neuen Booten oder Ersatzteilen für Schiffe funktioniert sie nach Ansicht der Zöllner ebenfalls gut, hier sind hin und wieder sogar spektakuläre Erfolge möglich. Denn wer als Deutscher ein Boot in der Schweiz kauft, oder sich sein Boot mit Ersatzteilen veredeln lässt, muss das in der Bundesrepublik versteuern - was sich viele sparen wollen.

Simonsen hält immer Ausschau nach neuen Booten oder Schiffen, denen man ansieht, dass sie der Besitzer erst kürzlich aufgemotzt hat. Dann kontrolliert er die Papiere. Wenn er jemanden erwischt, der die Mehrwertsteuer umgehen wollte, kann es teuer werden. "So ein Boot kostet schnell mal ein paar hunderttausend Euro, da tun eine Steuernachzahlung und die dazukommende Strafe empfindlich weh", sagt Simonsen.

Ein Zufallsfund

Einmal haben sie einen Fischer erwischt, der sein Boot in der Schweiz gekauft, aber nicht in Deutschland ordnungsgemäß angemeldet hatte. Der Fischer war so sauer, aufgeflogen zu sein, dass er sich gar nicht beruhigen wollte. Er dachte, Kollegen hätten ihn angeschwärzt - und verriet den Zöllnern ungefragt mehrere andere Fischer, die ihre Boote unangemeldet in der Schweiz gekauft hatten. "Dabei hatten wir gar keinen Tipp bekommen", sagt Simonsen und schmunzelt noch heute. "Das war reiner Zufall."

Für seine Mannschaft war es ein großer Erfolg: Sie hatten der Bundesrepublik Deutschland mit einer einzigen Aktion einige hunderttausend Euro an Steuernachzahlungen eingebracht.

© SZ vom 30.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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