Würzburg:Teufel vs. Heiliger

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In und um Würzburg kommen Besucher Fürstbischof Julius Echter praktisch nicht aus. Er hat nicht nur die Festung zur Residenz ausbauen lassen, er ist auch Namengeber des Juliusspitals. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Fürstbischof Julius Echter ist für die einen fanatischer Hexenverfolger, für andere verehrungswürdiger Wohltäter. Ein neues Buch zeigt ein differenziertes Bild

Von Olaf Przybilla

In der Betrachtung der Geschichte verläuft manches in Dreierschritten. Da gibt es eine These, die hält eine Zeit lang. Irgendwann formulieren Historiker aufgrund neuer Quellen eine pointierte Gegenthese, die sich scharf absetzt vom Bisherigen. Und mitunter gibt es dann einen, der das zusammenführt zu einer Synthese der Positionen - und das Glück hat, wahrgenommen zu werden. Oft aber bleiben in Erinnerung nur die beiden sich duellierenden Lager.

Julius Echter könnte ein exemplarischer Fall dafür sein. Für die einen ist das der Mann, der Würzburg geprägt hat wie kaum ein anderer. Ihm am Main nicht zu begegnen, ist selbst für Tagesausflügler nicht möglich. Man stößt auf ihn an der Festung, die er zur Residenz ausbaute. Und trifft ihn im Juliusspital, das nach ihm benannt ist und neben der Heilung Kranker auch die Versorgung Weindurstiger verspricht. Es gab Zeiten, da lebte in der Vorstellung der Gläubigen Würzburgs kaum eine andere Ikone, die man so zu feiern wusste wie jenen Fürstbischof. Wie ein Heiligenbildchen wurde er verehrt.

"Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte", heißt es bei Schiller. Da ist die Rede von Wallenstein. Echter freilich ist eine Figur, deren Bild historiografisch mindestens ebenso schwankt. Würde man heute im zunehmend grün-akademischen Milieu der Unistadt nach dem Bild Echters fragen - die Wahrscheinlichkeit, dass Passanten zuallererst die Deutung des Fürstbischofs als eines fanatischen Hexenbrenners einfiele, wäre groß. Sie geht auf die preußisch-protestantisch orientierten Historiker des 19. Jahrhunderts zurück, deren Arbeiten zum exegetischen Rückschlag des Pendels führten: vom menschgewordenen Heiligenbild zum religiösen Fanatiker. Echter? Wurde zu einer Art Mephistopheles am Main erklärt.

Als Würzburg vor zwei Jahren den 400. Todestag des Bischofs beging, war in der Stadt die Ausstellung "Julius Echter, der umstrittene Fürstbischof" zu sehen. Die Schau war auf dem Stand der Zeit, sämtliche Seiten des Bischofs wurden beleuchtet. Aber man konnte sie schon im Eindruck verlassen, es mit einem perfiden Frauenverfolger zu tun gehabt zu haben. Gleich zu Beginn etwa sagte eine Juso-Vertreterin in einem beigesteuerten Filmchen, der Mann sei "einer der großen Hexenverfolger" gewesen und verantwortlich für eines der "dunkelsten Kapitel" in Würzburgs Historie. Sein Ziel, "die Hexen auszulöschen" habe er unerbittlich verfolgt, er habe die Hexenverfolgung systematisiert und den Grundstein gelegt für weitere Exzesse nach seinem Tod. Zahlreiche Dokumente waren zu sehen in der Schau. Der Hexenbrenner-Vorwurf aber war ein bleibender Eindruck. Oder nicht? Wer sich mit deren Machern unterhält, bekommt da keinen Widerspruch. Natürlich habe man Echter Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen. Nur eines habe keinesfalls passieren dürfen: Dass in einer von der Kirche bezahlten Ausstellung am Ende auch nur im Ansatz der Eindruck bleiben könnte, da habe etwas relativiert oder gar beschönigt werden sollen.

Robert Meier, Dozent an der Archivschule Marburg, will das ebenfalls nicht. Er hat nun einen Sammelband über die "Hexenprozesse im Hochstift Würzburg" (Echter Verlag, Würzburg 2019) vorgelegt, der Echter nicht rehabilitiert - aber doch viele Verzeichnungen geraderückt. Anhand zuvor nicht berücksichtigter Quellen zeichnet er ein differenziertes Bild.

In Neubrunn etwa setzte Echter dem Verfolgungswahn einer Gemeinde klare Grenzen. "Polemisch gesprochen", urteilt Meier, erscheine Echter in diesen Quellen zum Teil gar als "Hexenretter". So verlangte er vom zuständigen Zentgrafen Befragungen, Indizien. Als keine hinreichenden geliefert wurden, kam es gegen den ausdrücklichen Wunsch der Gemeinde nicht zur Folter. Sondern zur Freilassung.

Wie ein roter Faden ziehen sich solche Momente durch die 300 Seiten des Buches, das etliche Artikel Meiers vereinigt. Grundsätzlicher Gegner der Hexenverfolgung war Echter selbstredend nicht. Und als Fürstbischof trägt der Jurist die Verantwortung für Hexenverbrennungen in seinem Gebiet. Das Bild aber vom unbarmherzigen Fanatiker lässt sich in vielen konkreten Fällen so nicht aufrechterhalten.

Nun gut, das Buch erscheint im "Echter Verlag", könnte man einwenden. Der Echter-Spezialist der Universität Würzburg freilich, Rainer Leng, bestätigt Meier eine absolut saubere Arbeit. Eine Ehrenrettung Echters? So weit würde Leng nicht gehen: "Am Ende trug Julius Echter als Fürstbischof die Verantwortung." Kein Teufel mithin. Ein Heiliger auch nicht.

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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