Wissenschaft:Dr. Praktiker

Lesezeit: 1 min

Fachhochschüler promovieren in festem Kolleg mit Universität

Rainer Koch ist das "Trara"schon etwas viel. Ständig klingelt das Handy, die PR-Maschinerie läuft, die Presse will Antworten. Er muss da durch. Koch, 37, aus Dettelbach bei Würzburg, ist der erste Doktorand Bayerns, der in einem Verbundkolleg promoviert hat. Das ist neu und für die Staatsregierung so besonders, dass der Ingenieur am Mittwoch nach München fuhr, damit Wissenschaftsministerin Marion Kiechle ihm persönlich seine Promotionsurkunde überreichen konnte.

Die Verbundkollegs des Bayerischen Wissenschaftsforums gibt es seit zwei Jahren. Damit sollen auch Studenten der praxisorientierten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) ihren Doktortitel machen können. Das Promotionsrecht haben traditionell allein die Universitäten inne. In Kooperation mit einer Universität konnten HAWler zwar auch früher schon promovieren - Verbundkollegs bieten aber die Struktur, in der Betreuung der Doktoranden festgeschrieben ist, Wissenschaftler miteinander vernetzt sind, Forschungsreisen bezuschusst werden und die betreuenden HAW-Professoren gleichrangig mit den Universitätskollegen arbeiten. Rainer Koch begann seine Doktorarbeit zu "Sensorfusion zur präzisen Kartierung von transparenten und reflektierenden Objekten" an der Technischen Hochschule Nürnberg in Kooperation mit der Würzburger Julius-Maximilians-Universität. Das Verbundkolleg habe ihm einen Schub verliehen, sagt Koch. 81 Doktoranden forschen derzeit in sechs Verbundkollegs zu Mobilität, Energie, Digitalisierung, Ressourceneffizienz, Sozialem Wandel und Gesundheit. Mit seiner Arbeit löste Koch ein Problem autonomer Fahrzeuge: Laser erkennen spiegelnde und durchsichtige Objekte nur schwer, er verbesserte den Algorithmus des Erkennungssystems.

Nach der Realschule absolvierte der Unterfranke Rainer Koch eine Lehre zum Bauzeichner - und arbeitete sich systematisch nach oben, bis zur Promotion jetzt. (Foto: privat)

Das Ministerium feiert Verbundkollegs zudem für ihre Durchlässigkeit, auch dafür ist Koch ein gutes Beispiel: Nach der Realschule absolvierte er eine Lehre zum Bauzeichner, erkannte, dass er mehr will und studierte nach dem Abitur an der Berufsoberschule Elektrotechnik. An der TH Nürnberg baute Koch mit seinem Professor Stefan May das Labor für mobile Robotik auf. Als May Doktoranden suchte, beschloss Koch zu promovieren. Mit dem Rummel kam nun der Zeitdruck: Ihm blieben nur Wochen, um nach der Verteidigung die Doktorarbeit fertigzustellen. Aber Spurts scheinen nicht seine Sache zu sein. Koch läuft Ultra-Langstrecken. Der Unterfranke hat eine Homepage mit 240 000 Visits, Europa und die USA hat er schon durchquert. Für Kontinentalläufe wird er künftig wenig Zeit haben, die nächste Etappe im Lebenslauf steht an: Bei einem Automobilzulieferer soll er Sensoren von Robotern weiter verbessern.

© SZ vom 19.07.2018 / angu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: