Wirtschaft:Frisch, kreativ, mittellos

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Blick nach vorne: Das Wirtschaftsministerium von Ilse Aigner steckt derzeit 235 Millionen Euro in die Förderung junger Unternehmen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bayern soll Top-Gründerland für junge Unternehmen werden. Die Risikokapital-Branche findet das gut, erwartet aber mehr Unterstützung

Von Daniela Kuhr, München

Wenn man Menschen auf der Straße fragen würde, welche Stadt in Deutschland derzeit die meisten kreativen Köpfe anzieht - ob die Antwort dann München lauten würde? Eher nein. Wahrscheinlich bekäme man deutlich öfter Berlin zu hören. Deutschlands Hauptstadt hat sich den Ruf erworben, ein perfekter Platz für junge, hippe Unternehmensgründer zu sein. Und doch sitzt Hendrik Brandis, Mitgründer des Venture-Capital-Unternehmens Earlybird, an diesem Nachmittag nicht im Büro der Berliner Wirtschaftssenatorin, sondern im Büro von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). "Wenn man nicht gerade ein reines Internet-Unternehmen gründet, bei dem man seine Kunden weltweit per Knopfdruck erreicht, ist Bayern in vielerlei Hinsicht der deutlich bessere Standort als Berlin", sagt Brandis - und Aigner strahlt.

Bayern solle "Top-Gründerland" werden, diese Devise hat die CSU-Politikerin vor Kurzem erneut verkündet. So soll es bald nicht nur in jedem Regierungsbezirk ein regionales Gründerzentrum geben, das junge Unternehmer unterstützt. Aigner hat auch die Mittel für Existenzgründer deutlich aufgestockt. Insgesamt 235 Millionen Euro steckt der Freistaat in verschiedene staatliche Fonds, die in junge Unternehmen investieren. Was der Bürger davon hat? Bevor Aigner antworten kann, legt Brandis los: "Das sind die Arbeitsplätze von morgen, die hier geschaffen werden." Schon aus diesem Grund diene dieses staatliche Engagement in erster Linie den Interessen der Bürger. Niemand könne wollen, dass die zukunftsträchtigen Arbeitsplätze nur noch im Ausland entstehen.

Brandis weiß Aigners Engagement daher zu schätzen. Und doch: Was die Finanzierung von jungen Unternehmen anbelangt, liegt seiner Meinung nach in Deutschland noch sehr viel im Argen. "In den letzten 40 Jahren ist hierzulande im Bereich der Informationstechnologie gerade mal ein einziges Unternehmen mit Weltrang entstanden: SAP. In den USA waren es im gleichen Zeitraum unzählige Unternehmen." Dabei sei die technologische Basis in Deutschland absolut ebenbürtig. Die Patentdichte ist sogar höher. "Doch woran liegt es, dass aus den guten Ideen, den guten Entwicklungen hierzulande keine florierenden Firmen mit Weltgeltung entstehen?", fragt Brandis, um die Antwort dann gleich mitzuliefern. Seine These: "In dem Moment, in dem man aus einem Patent eine Geschäftsidee entwickeln will, mit der sich Geld verdienen lässt, hakt es." Da bräuchte man finanzstarke Investoren, und an denen fehle es in Deutschland.

"Letztes Jahr sind in ganz Deutschland gerade mal 500 Millionen Euro an Venture-Capital-Geld in junge Firmen geflossen", sagt der Manager. In den USA seien es 44 Milliarden gewesen, dabei sei die Volkswirtschaft dort nur vier Mal so groß. "Würde man das amerikanische Engagement auf deutsche Verhältnisse übertragen, hätten in Deutschland elf Milliarden Euro investiert werden müssen. Doch wie gesagt: Stattdessen waren es 500 Millionen."

Brandis Ausführungen stoßen bei Aigner auf offene Ohren. "Erst heute morgen waren ein paar junge Unternehmer bei mir", erzählt die Ministerin. Die hätten ihr präsentiert, an was sie gerade arbeiteten: an Armlehnen für Flugzeugsitze. Diese Lehnen würden mit Hilfe eines 3D-Druckers gestaltet und 100 Gramm wiegen - statt 280 Gramm wie die bisher üblichen. "Damit lässt sich enorm Gewicht einsparen", sagt Aigner. Was jedoch das beste sei: "Dass wir hier in Bayern mit Airbus, Liebherr, MTU, Grob Aircraft und vielen anderen Betrieben zahlreiche Luft- und Raumfahrtunternehmen haben, wo Gründer ihre Erfindung gleich anpreisen können."

Eben das sei einer der ganz großen Vorteile von Bayern gegenüber Berlin, stimmt Brandis mit ein: "In Berlin findet man vielleicht leichter Arbeitskräfte und muss ihnen im Zweifelsfall auch weniger bezahlen, weil die Lebenshaltungskosten dort niedriger sind. In Bayern aber sitzen dafür viele große Unternehmen. Wer Produkte entwickelt, deren Abnehmer Unternehmen sind, hat hier in Bayern die Nähe zu starken zahlungskräftigen Kunden." Das sei ein Vorteil von unschätzbarem Wert.

Doch warum braucht eine gute Erfindung überhaupt die Hilfe fremder Investoren? Müsste sie sich nicht ganz schnell von allein rechnen? "Leider nein", sagt Brandis. "Gerade am Anfang entstehen oft ungeheure Kosten, die ein junges Unternehmen allein gar nicht stemmen kann." Es sei aber wichtig, schnell zu wachsen, denn nur so behalte man im globalen Wettbewerb die Nase vorn. "Schließlich lässt sich eine gute Geschäftsidee oft sehr schnell kopieren." Der ursprüngliche Erfinder habe daher nur dann eine Chance, die Nummer eins zu bleiben, wenn immer einen Schritt voraus bleibe. "Und dafür benötigt man Geld", sagt Brandis.

Gemeinsam mit Aigner wirbt der Manager dafür, dass gerade diese Anfangsverluste steuerlich sehr viel besser geltend gemacht werden können. "Da müssen wir in der Tat junge Unternehmer besser fördern", sagt auch Ilse Aigner. Bei einem weiteren Vorschlag von Brandis ist die Ministerin jedoch skeptisch: Während der Manager meint, Deutschland solle die derzeit sprudelnden Steuereinnahmen doch dafür nutzen, um einen staatlichen Investitionsfonds zu gründen - ähnlich wie das arabische Emirat Abu Dhabi es einst gemacht habe -, muss Aigner lachen. "Der kleine Unterschied zu Abu Dhabi ist, dass man dort nicht erst noch einen Riesenberg an Staatsschulden abzuzahlen hatte," sagt die Ministerin. Gerade dieses Abbezahlen der Schulden sei jedoch "sehr gut investiertes Geld". Schließlich müsse allein der Bund derzeit jährlich rund 27 Milliarden Euro an Zinsen zahlen - die eines Tages "hoffentlich für sinnvollere Investitionen zur Verfügung stehen".

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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