Wetter:"Pflanze nie vor der kalten Sophie"

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Wer sichergehen will, der deckt seine Pflanzen während der Eisheiligen zum Schutz mit Folie ab. (Foto: Hildenbrand/dpa)

Die Eisheiligen stehen bevor, aber sie haben an Bedeutung verloren

Von Hans Kratzer, München

Im Chiemgau laufen noch Buben herum, die auf den seltenen Namen Pankraz getauft sind, sie dürfen an diesem Freitag Namenstag feiern. Aber nicht nur dieser Name gerät in Vergessenheit, sondern auch die Tatsache, dass der Märtyrer Pankratius zu den Eisheiligen zählt, die im Bauernjahr eine herausragende Position einnehmen. Eine am Donnerstag im Radio gesendete Umfrage belegt indessen, dass der Begriff Eisheilige erstaunlich vielen Menschen unbekannt ist.

Dabei markieren die Tage Pankrazi, Servazi, Bonifazi sowie die kalte Sophie (12. bis 15. Mai) schon seit dem Mittelalter ein gefürchtetes Wetterphänomen. Die Erfahrung lehrt, dass sie mitten im Wonnemonat Mai häufig Frost bringen und in der Lage sind, die frühen Triebe und damit die Obsternte zu vernichten. In diesem Jahr schien es, als hätten sich die Eisheiligen schon im April eingenistet. Überdies machten sie keine Anstalten, wieder zu gehen. Wochenlang gab es Frostnächte, die Bäume und Weinstöcke, die schon ausgetrieben hatten, waren der Kälte schutzlos ausgeliefert. Auch in Bayern droht nun ein karges Obst- und Weinjahr, und die Gefahr ist noch nicht vorüber.

Die Meteorologie ordnet die Eisheiligen unter dem Stichwort Singularitäten ein. Sie versteht darunter Witterungsereignisse, die im Jahreslauf einigermaßen regelmäßig auftreten. Im Wissen um die stets wiederkehrenden Maifröste pflanzen vorsichtige Bauern und Gärtner Kürbis, Gurke, Tomaten und Paprika erst im Freien an, wenn die Eisheiligen vorbei sind. Unzählige Bauernregeln und Wettersprüche belegen dieses späte Frostphänomen. Nach altem Volksglauben wird das Frühlingswetter erst mit Ablauf der "kalten Sophie" (15. Mai) milde und stabil: "Pflanze nie vor der kalten Sophie!" Deshalb werden auf dem Land in diesen Tagen Bittgänge und Flurprozessionen abgehalten, um Schutz vor Frost, Hagel und Unwetter zu erflehen. Die heutige Agrarindustrie vertraut indessen weniger auf die himmlischen Mächte als auf die Märkte, die Chemie und staatliche Subventionen. Der globale Markt wird dafür sorgen, dass hiesige Ernteausfälle sich im Supermarkt höchstens über den Geldbeutel bemerkbar machen. So können die Eisheiligen dem modernen Menschen nicht mehr schaden, weshalb sie ihm am Allerwertesten vorbeigehen.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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