Wahlkampf:Ruhe, bitte

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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte die sogenannte Ausländermaut in seiner Amtszeit vorangetrieben, obwohl es rechtliche Bedenken gab. Das Projekt scheiterte. Nun räumt CSU-Chef Söder Fehler ein. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Verkehrsminister Scheuer ist zu Gast im bayerischen Kabinett. Dort wünschen sie sich endlich gute Nachrichten aus Berlin

Von Wolfgang Wittl, München

Andreas Scheuer eilt zum Ausgang, es pressiert, aber so viel Zeit muss sein. "Macht was Gutes in Berlin", ruft ihm Markus Söder hinterher. Eineinhalb Stunden hat der Bundesverkehrsminister am Dienstag im bayerischen Kabinett vorbeigeschaut. Scheuer hat einige Versprechen mitgebracht und viel Geld. Es müsse kein Schaden sein, wenn ein spendabler Minister drei Wochen vor der Landtagswahl seinen CSU-Freunden die Aufwartung macht. So hatte man sich das in der Staatskanzlei gedacht. Hängen bleiben am Ende aber nicht Scheuers Geschenke, sondern Söders bitterer Satz: "Macht was Gutes in Berlin." Er hätte auch rufen können: "Macht in Berlin nichts mehr, was uns schadet."

Seit Wochen verzweifeln die CSU-Wahlkämpfer in München an ihren Kollegen im Bund. Söder pflügt durch den Freistaat, als müsse er jeden Quadratzentimeter eigenhändig vermessen. Er kennt kein anderes Thema als Bayern, die Nachrichten aber dominieren die Parteifreunde in Berlin. Der Parteitag hätte das Aufbruchsignal senden sollen für die finale Wahlkampfphase, und kurz sah es so aus, als würde sich die Basis mitreißen lassen. Und dann sprach doch jeder nur über einen Verfassungsschutzpräsidenten, der für einen Fehltritt zum Staatssekretär befördert werden sollte.

Söder ist berüchtigt für sein hohes Tempo, manchmal geht es in diesen Tagen aber auch für ihn zu schnell. Am Freitag war er beim Wohngipfel in Berlin - mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. Als Söder den Heimflug antrat, war Hans-Georg Maaßen noch Staatssekretär, das Thema schien geklärt zu sein, wenn auch zur Unzufriedenheit vieler Menschen. Als Söder in München ausstieg, war alles wieder anders. "Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man nur noch lachen", sagt ein CSU-Mann. Immerhin: Am Sonntagabend war die Causa Maaßen tatsächlich Vergangenheit. Dann kam Scheuer.

In einer internen Runde ließ er durchblicken, Dieselfahrer mit bis zu 600 Euro an den Kosten für Nachrüstungen beteiligen zu wollen. Prompt schrillten in München wieder die Alarmglocken. Bürger entlasten und nicht belasten - das ist ein zentraler Teil von Söders Wahlkampfagenda. Nicht Kunden, sondern die Hersteller hätten den Dieselskandal verursacht, schimpfte der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert. Die Dieselfahrer nun auch noch an den Kosten zu beteiligen, das könne "nur ein schlechter Scherz sein".

Söders Worte klingen am Dienstag nicht viel anders. Die Kunden träfe keine Schuld. "Wie das geregelt wird, da mischen wir uns nicht ein", sagt er in Richtung Scheuer: "Für uns ist nur wichtig, dass Dieselfahrer nicht belastet werden. Sie dürfen nicht die Leidtragenden sein." Scheuer ist da bereits sachte auf Korrekturkurs eingeschwenkt. Man müsse Stimmungen aufnehmen, sagt er. Ziel in den Gesprächen mit den Autobauern müsse jetzt sein, bei möglichen Hardware-Nachrüstungen "die Selbstbeteiligung der Halter auf null zu setzen".

Seine Gaben gehen fast unter. Scheuer verspricht, den Freistaat bei der Einführung von 365-Euro-Jahrestickets finanziell zu unterstützen. "Ein wichtiges Signal", lobt Söder. Sein Plan: Bus- und Bahnfahrer in München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Würzburg sollen in einigen Jahren umgerechnet nur noch einen Euro am Tag zahlen. Der SPD geht das nicht weit genug, sie fordert kostenlose Tickets für Schüler, Auszubildende, Studenten und Senioren schon jetzt in ganz Bayern.

Bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München übernimmt der Bund nun selbst die Vorfinanzierung von einer Milliarde Euro. Der Freistaat kann das Geld für andere Projekte einsetzen. Zweigleisig ausgebaut werden sollen die Bahnstrecken zwischen Mühldorf und Freilassing sowie zwischen Landshut und Plattling - im Bundesverkehrswegeplan zählen sie zum "vordringlichen Bedarf". Beim Brenner-Nordzulauf haben Scheuer und Verkehrsministerin Ilse Aigner "maximalen Lärmschutz" vereinbart. "Danke für netten Empfang", sagt Scheuer zu Beginn der Pressekonferenz, "aber ich hab auch ein bisschen was da gelassen".

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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